Lo-Fi Musik – knistert euch hörenswert

Eine Chance für Bands mit geringem Budget

| Foto: Shutterstock von Little ghost girl

Spätestens 2016 hat Lo-Fi sich vermehrt in den Blickwinkel der Öffentlichkeit gedrängt: Aufnahmen mit gewollter Nicht-Perfektion. Und dieser Trend könnte exakt für euch als ambitionierte Einsteigerband eine gute Möglichkeit sein, eure Songs aufzunehmen. Eigentlich spielt Low Fidelity euch sogar direkt in die Karten. Schauen wir auf das Potenzial für die ersten Stufen eurer Karriereleiter:

Check it: Eure Vorteile der Lo-Fi Musik

  • Mit Low Fidelity wird schon lange experimentiert
  • Der spezielle Reiz der analogen Aufnahmen
  • Perfektionismus versus Reduktion aufs Wesentliche
  • Zwischen Studioaufnahmen und begrenztem Budget
  • Authentizität als Band-Image etablieren

Lo-Fi ist hip, gibt es aber schon lange

Zugegeben, etwa 2016 hat Lo-Fi Musik einen frischen Hype erlebt. Manchen war sie bis dahin kaum bekannt. Die letzte Popularitätswelle hatte dieses Genre als Lo-Fi House; auch mit den typischen Manga-Motiven und der höchst entspannenden Art von Musik. Letztlich aber gibt es Lo-Fi aber bereits seit Jahrzehnten. Die Musiker und Produzenten – sogar einige Verbände – wollten sich vom überdigitalisierten und überperfektionierten Mainstream der Aufnahmetechnik abwenden.

Die Sehnsucht nach dem analogen Knistern

Es sollte wieder knistern und knacken, ganz so als hätte man eine Langspielplatte schon zum hundertsten Mal abgespielt. Die Wärme der einst analogen Aufnahmetechnik sollte wieder her. Und selbst technische oder musikalische Fehler wollten die Musiker im Aufnahmeergebnis nicht verschweigen. Aufgenommen wurden die Songs in einem Take. Zudem mussten die Musiker sich alle in einem Raum befinden, also keine separaten, nicht übersprechenden Kabinen, auch eine zeitversetzte Aufnahme mit entsprechend geglätteten Spuren.

Retro mit dem typischen Knistern einer Schallplatte | Foto: von Nattapol Meechart

Reduktion auf Minimalismus und unbedingte Authentizität

Damit ist Low Fidelity Music nichts Geringeres als die Reduktion auf den Minimalismus der Zeiten, als die hochkomplexen Aufnahmemöglichkeiten heutiger Zeiten nicht mal ansatzweise zur Verfügung standen. Eigentliches Ziel war der absolute Purismus, diese ganz besondere Authentizität und Wärme. Allenfalls die Aufnahmequalität ist minderwertig. Doch Musik bedeutet Kreativität und was die Menschen berührt, kann im musikalischen Sinne nicht minderwertig sein.

Analog hat seinen speziellen Reiz nie verloren | Foto: Shutterstock von calvinbenedict

Home-Recording zwischen Know-how und Equipment

Schön und gut, aber weshalb sollte nun dieser Verzicht auf Perfektion die Lösung für euren Bandstart sein? Nun, ganz einfach: Ihr könntet euch hochkomplexes Equipment für die Selfmade-Produktion zulegen. Selbstverständlich könnt ihr jedes Instrument und jede Stimme nacheinander aufnehmen. Ihr spielt über Audio-Interfaces & Co. direkt auf die Festplatte bzw. die DAW. Auch könntet ihr eure Aufnahmeräume schalloptimiert einrichten und das gesamte Tontechniker-Register ziehen.

Resultat der Selfmade-Variante: Erstens ein immens hoher Aufwand, nur um die Spuren digital sauber zu bekommen, außerdem müsstet ihr tief in die Tasche greifen. Nicht zu vergessen, die kostbare Zeit, die euch für eure kreativen Prozesse nicht zur Verfügung steht, zumal ihr euch in die Technik einarbeiten müsst. Musiker, die ihre Songs im Home-Studio einspielen, haben sich meistens über Jahre mit dieser Thematik beschäftigt und ihr Equipment für diese Zwecke konfiguriert.

Alles gut, aber das kosten Zeit, Geld und Know-how | Foto: Shutterstock von PrinceOfLove

Der Traum von Studioaufnahmen kostet Geld

Die andere gängige Variante ist es, ein renommiertes Tonstudio zu buchen, dort einzuspielen, aufzunehmen, bearbeiten und mastern zu lassen. Euer Interesse ist es, vorzeigbare Aufnahmen in Händen zu haben, um damit an Gigs zu kommen. Sofern die Corona–Beschränkungen die irgendwann wieder zulassen.

Für professionell sauberer und bestens abgemischte Aufnahmen ist das insbesondere deshalb die vernünftigste Lösung, da die Tontechniker nicht nur über das Equipment verfügen, sondern auch über das notwendige Know-how. Wenngleich zu beobachten ist, dass die Home-Studio-Szene deutlich auf dem Vormarsch ist.

Eines Tages wollt ihr da auch mal hin | Foto: Shutterstock von LightField Studios

Lo-Fi für eure budgetbegrenzten Ziele nutzen

Und jetzt aber stellen wir uns vor, dass wir schlichtweg unserer Ansprüche heruntersetzen und die Perspektive auf das Ergebnis verändern. Eure spezielle Herausforderung lautet, Aufnahmen ebenso preisgünstig wie zeitnah zu erstellen. Ihr habt keine Zeit, vor dem Karrierestart erst noch die Grundlagen der Tontechnik zu erlernen. Und Geld habt ihr schon gar nicht.

Günstig, schnell und rough

Die Frage lautet: Wie macht Ihr Eure Aufnahmen günstig und schnell? Und exakt hier kommt die Lo-Fi Musik ins Spiel. Was ihr benötigt, wie einen Aufnahmerecorder, haben manche Eltern möglicherweise noch im Keller. Die Mikrofone müssen vernünftig, aber nicht zwangsläufig überteuert sein. Vorhanden sein sollte unbedingt eine einigermaßen aktuelle Software mit DAW, um beispielsweise anschließend noch Effekte wie das typische Knistern und Rauschen oder Natur-Samples hinzufügen zu können. Nichts anderes machen DJs und Samplebastler aus diesem Genre.

Ein interessantes Gerät, bei dem ihr gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagt, ist das Model 16 von Tascam. Auf dem Markt seit Ende 2019 handelt es sich hier um eine Analogmischpult mit integriertem Mehrspur-Recorder und Audio-Interface. Weitere Details gibt es auf dieser Produkt-Seite auf thomann.de.

Analoges Pult inklusive Recorder und Audio-Interface | Foto: von Thomann

Purismus ungeschminkt auf Bandgerät oder Festplatte bannen

Nun verteilt ihr euch im Aufnahmeraum, stellt die Lautstärken der Instrumente so ein, dass wirklich jeder zu hören ist, was wiederum bedeutet, dass ihr Volume-Regler nicht zu weit aufdrehen dürft und vor allem aufeinander hören müsst. Auch wenn wir von der Reduktion aufs Wesentliche ausgehen, sind dies letztlich Aufnahmen unter erschwerten Bedingungen. Ihr verzichtet auf den gesamten Komfort, der für Tontechniker und Tonstudios im Laufe der Jahrzehnte aus technischen, akustischen und arbeitserleichternden Gründen unverzichtbar geworden ist.

Auf Individualität und realistische Aussagekraft setzen

Grundvoraussetzung ist, dass ihr die Songs wirklich detailgenau eingeübt habt. Und zwar noch konsequenter, als ginge es ins Tonstudio. Immerhin wollt und werdet ihr die Aufnahme nicht schneiden und schlechter gelungene Passagen ebenso nicht überschreiben. Beim Hörer soll ein sehr individueller Eindruck entstehen. Ganz nach dem Motto: „Eine Band pfeift auf Perfektion. Als Musiker präsentieren wir ungeschminkt, was wir live umsetzen können.“ Und exakt das kann für den besonderen Kick sorgen. Ihr macht gerade nichts Unbedeutenderes als an eurem Marken-Image zu feilen, eurem menschlich greifbaren Band-Charakter.

Augen auf und durch | Foto: Shutterstock von Art24

Liveaufnahmen aus dem Home-Studio ohne Publikum

Im Prinzip serviert ihr Liveaufnahmen aus dem Home-Studio. Hat doch was. Und somit könnt ihr die mangelnde Reibung zwischen Daumen und Zeigefinger zum starken Argument für eure Musik machen. Sind die Aufnahmebedingungen nach Mainstream-Vorgaben eben nicht perfekt, ist das nur abschreckend, solange man das als dilettantisches Manko verstehen muss. Macht ihr das aber zu eurem anfänglichen Marketing-Instrument, präsentiert ihr euch damit mutig, ehrlich und erlebenswert.

Eine Portion Guerilla-Marketing für Nachwuchsbands

Schon klar, dass ihr mit dieser Variante im Prinzip die selbstgesteckten Basics der Low-Fi-Musik inklusive deren Sub-Genres, Samples usw. kapert. Aber wer hat behauptet, Grenzen könnte man nicht überschreiten und ihnen eine weitere Facette verleihen? Richtig ist das, was euch nach vorne bringt. Und das ist bei Newcomern meistens das Außergewöhnliche, bisweilen eine winzige Kleinigkeit.

Zwischen „völlig bescheuert“ und „that’s it“

Stellt euch beispielsweise vor, direkt während der Aufnahme reißt dem Gitarristen eine Saite? Vielleicht fällt eine Flasche zu Boden oder die Straßenbahn rattert gerade unüberhörbar am Fenster vorüber. Bloß nicht rausschneiden. Das können Geräusche für die Ewigkeit sein. Beim Hören denkt der Veranstalter oder der AR-Manager der Produktionsfirma entweder: „Die sind ja vollkommen bescheuert“ oder „Wow, das ist mutig; genau die Typen brauchen wir.“ Mut zur Reduktion, Mut zum organisierten Chaos.

Schon klar, wir beschreiben hier gerade wie ihr fehlerbehaftete Aufnahmen erstellt. Ja, wir behaupten sogar, dass erste Bewerbungs-Aufnahmen weder fehlerfrei sein müssen noch dürfen. Jeder hat mal angefangen und beispielsweise Punk-Ikonen wie Clash hätte es nicht gegeben, wenn die sich erst mit Perfektion in die Öffentlichkeit getraut hätten. Schließlich waren die Punk-Bands nie perfekt, haben einfach nur ehrlich-archaische Musik mit der guten Portion Rebellion abgeliefert.

Low Fidelity neu interpretiert – einen Versuch ist’s wert

Und diejenigen, die nun aufschreiben und behaupten, wir hätten die Lo-Fi Musik falsch verstanden, sei gesagt: Ja, durchaus. Allerdings vorsätzlich. Uns ist bewusst, dass Low-Fidelity insbesondere in den letzten Jahren zur verträumten Manga-Music mit höchstem Entspannungsfaktor geworden ist. Aber wenn dieses Genre doch so beliebt ist, bleibt bestimmt auch noch eine Ecke für diejenigen frei, die sie möglicherweise etwas anders interpretieren. Wir jedenfalls mögen das analoge Knistern und technisch-musikalische Fehler, zu denen man steht.

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Tascam Model 16
Tascam Model 16
Kundenbewertung:
(16)

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Und wenn ihr die Aufnahmen im Kasten hat, bewerbt ihr euch damit vielleicht bei einem Nachwuchswettbewerb wie School-Jam, wenn er denn in 2021 wieder stattfinden wird. Weitere Informationen findet ihr in diesem Artikel.

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