Drumset als Instrument des Jahres 2022 – die verbotenen Trommeln

Wie das Schlagzeug sich seinen Weg durch die Jahrhunderte bahnt

| Foto: Shutterstock von Juanan Barros Moreno

Alljährlich wird von den Landesmusikräten in Deutschland das Instrument des Jahres gekürt. In 2022 hat das Drumset es auf das Podest geschafft. Tatsächlich ist das Schlagzeug ein Instrument mit einer bewegten Geschichte. Einen nicht unerheblichen Anteil an seiner Entwicklung hatte ein Verbot, eigentlich waren es sogar gleich mehrere, die „No Drumming Laws“. Im positiven Sinne für den weltweiten Siegeszug des Drumsets ging der Schuss nach hinten los. Das Trommeln ließ sich nicht stoppen.

Check it: Infos über das Drumset als Instrument des Jahres

  • Als die sprechenden Trommeln verboten wurden
  • Pattin Juba – ein Tanz wird zum Synonym des Schlagzeugs
  • Entstanden aus Geld- und Platzmangel
  • Entwicklung von Fußmaschine und Hi-Hat
  • Spezielle Qualitäten und Herausforderungen
  • Noch jede Menge Optimierungspotenzial

Von den sprechenden Trommeln bis zum Instrument des Jahres 2022

Im kolonialistischen Amerika des 18. Jahrhunderts herrsche Sklaverei. Bereits ab dem 16. Jahrhundert waren hunderttausende Menschen aus Westafrika eingeschifft worden, um auf den Plantagen Nordamerikas zwangszuarbeiten. Sie waren entrechtet und selbstverständlich sollte eine Kommunikation unterhalb der Slaven unterbunden werden. Allerdings war die Verständigung mit Trommeln über oftmals weite Distanzen hinweg bei den Afrikanern eine Tradition. Zudem waren die Nachrichten der „sprechenden Trommeln“ den Sklavenhaltern unverständlich, was das Thema umso brisanter machte.

Sprechverbot für Trommeln – „No Drumming Laws“

Also wurde in den amerikanischen Kolonien das Trommelspielen sogar verboten; Verstöße gegen die No Drumming Laws wurden unter Strafe gestellt. Es klingt bizarr und grausam zugleich. So wurde es als für die Sicherheit als unbedingt erforderlich bezeichnet, „mit aller Sorgfalt den Gebrauch von Trommeln und anderen lauten Instrumenten einzuschränken, die geeignet sind, zusammenzurufen, Zeichen zu geben oder einander über bösartige Plane zu benachrichtigen.“ Umgesetzt werden sollte das durch die Sklavenhalter. Und so sollte „jeder Meister, der es seinem Neger erlaubt oder duldet, dass er Trommeln spielt“ für jeden Verstoß ein Bußgeld von zehn Pfund zahlen.

Die Sprache der Trommeln wurde den Sklaven verboten | Foto: Shutterstock von JosepPerianes

Pattin Juba – ein Tanz wird zum Fundament des unabhängigen Spiels

Ab etwa 1740 verschwanden afrikanische Trommeln zunehmend aus Nordamerika. Zeitgleich begannen die Sklaven jedoch, mit alltäglichen Gegenständen wie Butterfässern, Stöcken oder Löffeln. Nun allerdings wurde das Trommeln auf den Körper, die Hände und Füße gewissermaßen verschoben. Es entstand ein Tanz, der Pattin‘ Juba“, bei dem mit den Füßen auf den Boden gestampft, mit den Händen auf die Brust, Arme, Wangen und Oberschenkel geklatscht wird. Das musikalisch Evolutionäre daran: Obschon es sich eigentlich um einen Tanz handelte, spielte zum ersten Mal eine Person mit sämtlichen Extremitäten vier unabhängige rhythmische Parts zugleich. Zwar wurde noch der Körper als Instrument genutzt. Aber das Konzept des Schlagzeugs war geboren.

Und plötzlich entstand als Instrumentenersatz ein Tanz | Foto: Shutterstock von Everett Collection

Zu wenig Geld und Platz für mehrere Perkussionisten

Die Entwicklung ging weiter. Im Jahr 1865 wurde die Sklaverei in den USA abgeschafft und zum Ende des 19. Jahrhunderts änderten sich auch die Musikaufführungen. Bis dahin saßen die Musiker hauptsächlich in Orchestergräben, die ausreichend Platz boten für mehrere Perkussionisten boten. Nun wurde nahezu überall Live-Musik gespielt. Die Gagen waren miserabel; die Bühnen winzig. Das Geld und Platz reichten nicht für mehrere Perkussionisten mit jeweils einer Trommel. Also wurden die Perkussionisten zu Schlagzeugern und stellten eine kleine Trommel und eine Bass-Drum auf. Das allerdings hatte mit dem Konzept des Pattin‘ Juba noch nicht allzu viel zu tun.

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Entscheidender Schritt in der Schlagzeug-Evolution: Die Fußmaschine

Bis ein lediglich zurückhaltend begabter Schlagzeuger, ein gewisser William Ludwig, eine Idee hatte. Es sollte eine revolutionäre Erfindung sein. Bis dato hatte er Schwierigkeiten, allein mit den Händen die komplexe Polyrhythmik der afrikanisch-stämmigen Musik umzusetzen. Um seine Arme zu entlasten, erfand er ein sehr spezielles und pragmatisches Pedal. Bei der Betätigung mit dem Fuß schnellte ein Schlägel gegen die Bass-Drum. Durch einen Federzug wurde der Schlegel wieder zurückgeholt, sobald der Fuß wieder angehoben wurde.

Experimentiert und ausprobiert wurde parallel, Erfinder kaum auszumachen

Um da keine falschen Lorbeeren zu züchten: Erste Versuche von Fußmaschinen gab es weit vorher. So wird J. R. Olney vielfach als Erfinder des Fuß-Pedals im Jahr 1887 verstanden, weit früher haben Schlagzeuger mit entsprechenden Mechaniken experimentiert. Wem die Ehre wirklich gebührt, lässt sich heutzutage nicht mehr zuverlässig nachvollziehen. William F. Ludwig war allerdings der erste, der diese Fortentwicklung bereits ab 1910 in Serie herstellte und damit eine immens große Nachfrage bediente.

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Fußmaschine öffnete die Büchse der Pandora für das moderne Schlagzeugspiel

Verbleibt die Frage, weshalb gerade die Fußmaschine von uns musikhistorisch derart in den Mittelpunkt gerückt wird. Der Grund: Sie war die Büchse der Pandora, erst mit der Entwicklung des Pedals konnte nun mit Händen und Fuß gespielt werden. Als Vorläufer der heutigen modernen Drumsets brachte die Firma Ludwig im Jahr 1918 das erste Drumset auf den Markt. Durchaus möglich ist es, dass auch vorher bereits DIY-Schlagzeuge existierten. Doch die wurden eben nicht in Serie hergestellt oder gar kommerziell vertrieben.

Entscheidend für das unabhängige Spiel: die Fußmaschine | Foto: Shutterstock von Harrison Weston-Cottrell

Aber die handelsüblichen Schlagzeuger hatten noch einen Fuß frei

Doch der handelsübliche Schlagzeuger hat in der Regel zwei Füße, es war noch einer übrig. Findige Musiker kamen auf die Idee, mit einer weiteren Konstruktion zwei Becken aufeinanderzuschlagen, eigentlich waren es bis dahin Zimbeln. Aneinandergeschlagen wurden die über einen sogenannten Snow Shoe. Dabei handelt es sich um eine rudimentäre Konstruktion Holz, die man sich wie eine Sandale vorstellen kann. Der Snow shoe der Firma Walberg und Auge Drum Company ist lediglich einer der Vorgänger der modernen Hi-Hat.

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Es entstanden Low Socks – kurze Vorgänger der Hi-Hat

Immerhin gab es parallele und vorhergehende Entwicklungen. So beispielsweise eine Erfindung von Vic Berton, ein Experiment mit einem erhöhten Low Boy. Dumm gelaufen, dass er vergaß, das Patent anzumelden. Bei eigentlich allen handelte es sich um niedrige Modelle – Low Socks – die demnach von den heutigen Standard-Modellen, die eben auch mit Sticks bespielbar sind, noch meilenweit entfernt waren. Tatsächlich aber waren bereits mit der Fußmaschine für die Bass-Drum und der Hi-Hat, bzw. damals noch Low-Hat – sämtliche Voraussetzungen für das unabhängige Spiel mit allen vier Gliedmaßen gegeben.

Drumset Instrument des Jahres – extrem beliebt nicht nur beim Nachwuchs

Und genau diese Möglichkeiten, sollten für einen weltweiten Siegeszug des Drum-Sets sorgen. Etwa seit 1990 befindet sich das Drum-Set in einem extremen Aufschwung. Dass das Drumset Instrument des Jahres 2022 ist, bedeutet keineswegs, es wäre in der Vergessenheit verschwunden. Ganz im Gegenteil. Es gibt keinen Grund, das Instrument künstlich zu puschen; vielmehr wird es bei Nachwuchsschülern immer beliebter. Eine aussagekräftige Zahl als Beleg gefällig? Sehr gern: Stand Anfang 2022 verzeichnet der Verband deutscher Musikschulen über 50.000 Schlagzeugschüler. Und das ist allenfalls der Spitze des Eisbergs. Schließlich gibt es zahlreiche Nachwuchs-Drummer, die ihr Handwerk nicht an einer Musikschule lernen, beispielsweise als Autodidakten.

Herzlichen Glückwunsch, es ist vollbracht | Foto: Shutterstock von Anemone

Woher kommt die Beliebtheit beim Drumset als Instrument des Jahres 2022?

Verbleibt die Frage, mit welchen Attributen das Schlagzeug zu einer derartigen Beliebtheit schafft. Sowohl in der Klassik als auch im Rock oder Pop behauptet es sich ja eher im Schatten der anderen Instrumente. Schon aufgrund seines Platzbedarfs steht es auf der Bühne üblicherweise hinten. Dass der Drummer zugleich Sänger mit Frontmann-Faktor ist, ist äußerst selten. Außerdem ist das Schlagzeug im Band- oder Orchesterzusammenhang kein melodieführendes Instrument. Die Blicke der Fans bleiben meistens schon bei den Sängern, Gitarristen und Bassisten kleben. Dem persönlichen Ego mit dem Wunsch nach Bewunderung scheint es auf den ersten Blick nicht so wohlgesonnen.

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Vom simplen Einstieg bis zu schnell hochkomplexen Techniken

Nun, zunächst kann man mit dem Schlagzeug in einer Band spielen. Der Vorteil dabei ist, dass man relativ einfach die ersten Schritte auf dem Drumset – Instrument des Jahres – gehen kann. Keineswegs allerdings bedeutet das, dass das Spiel dauerhaft einfach ist. Vielmehr werden die Anforderungen, mit vier Gliedmaßen unterschiedlichste Dinge zeitgleich umzusetzen, schnell zu sehr komplexen Herausforderungen. Und zwar für die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Unabhängigkeit von Armen und Beinen als auch in sportlicher Hinsicht.

Sportliches Instrument, das einfach Spaß bringt

Das Drumset – Instrument des Jahres 2022 – ist sicherlich das sportlichste Instrument schlechthin. Für viele ist bereits das Üben wie ein Workout, bei dem man sich ausgiebig austoben kann. Das Schlagzeug ist nicht beleidigt, wenn man kräftig draufdrischt. Es ist sogar trotz aller filigraner Techniken, Patterns und Schlagabfolgen genau dafür geschaffen. Schlagzeuger benötigen Technik, Kraft und Ausdauer zugleich.

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Genreübergreifende Hüter von Timing und Rhythmus

Zudem sind Schlagzeuger die personifizierten Hüter von Timing und Rhythmus. Sie sind es im Bandgefüge, die gemeinsam mit den Bassisten das große Ganze zusammenhalten und dynamisch vorantreiben. Und dabei sind sie in nahezu allen Musikgenres gefragt. Begonnen hat ihr Siegeszug in den Jazzbands dann in Big Bands und zog weiter durch die Rock- und Popmusik.

Drumset als Instrument des Jahres steht vor weiteren Entwicklungen

Seit mehr als einem Jahrhundert wird das Schlagzeug kontinuierlich weiterentwickelt. Eingeläutet hat es das in einem Instrument zusammengefasste Spiel mehrerer Perkussionisten. Mit immer weiter perfektionierter und durchdachter Hardware hat es weitere neue Spieltechniken ermöglicht. Einen gehörigen Sprung hat es mit der Entwicklung der E-Drums hingelegt. Neben dem Spiel auf den physischen Natursets, hält es auch dadurch den sich ändernden Musikstilen stand. Ein Ende der Entwicklungen ist noch lange absehbar. Auch dieses Potenzial macht das Drumset als Instrument des Jahres so spannend.

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