Timing trainieren: Eine einfach klingende Mammutaufgabe

Die gnadenlos weiterlaufende Zeit überlisten

| Foto: Unsplash

Wenn der Drummer zu langsam spielt, weil der Bassist zu schnell ist, der Gitarrist sich nicht so ganz entscheiden kann und der Keyboarder längst die Orientierung verloren hat, ist eines klar: Das Timing der Groove-Abteilung sollte tunlichst überprüft und möglichst verbessert werden. Das könnt und könnt und müsst ihr zwar im Bandkontext üben. Letztlich aber ist jeder für sich selbst verantwortlich. Stellt sich die Frage, wie man das Timing trainieren kann. Schauen wir  mal:

Check it: Timing trainieren – Probleme und Lösungen

  • Verzögerungen durch spieltechnische Unsicherheiten
  • Vorausdenken und der Zeit ein Schnäppchen schlagen
  • Zwischen Befindlichkeiten und Pulsschlag
  • Die Gebrüder Metronom und Drum-Computer
  • Konkretes das Timing verbessern
  • Keine menschlichen Facetten verlieren

Timing trainieren – wie von Sinnen

Das Halten von Takt und Tempo spielt sich nicht nur bei uns Musikern auf verschiedenen Ebenen ab. Da ist einerseits die rein spieltechnische Seite, dann das Verständnis von Takt, Zählzeiten und schlussendlich die Synchronisation der Sinne mit dem musikalischen Gedächtnis. Entsprechend bietet es sich an, die Thematik aus unterschiedlicher Perspektive zu beleuchten. Tatsächlich sind wir Normalmenschen gar nicht dafür geschaffen, abweichungsfrei im exakten Tempo zu spielen. Wäre ja auch merkwürdig; schließlich sind wir keine Maschinen und von der Zeitperfektion einer Schweizer Taschenuhr meilenweit entfernt.

Spieltechnische Unsicherheiten sorgen zwangsläufig für Verzögerungen

Werfen wir einen Blick auf mögliche Probleme, die sich uns Musikern immer wieder ebenso unüberbrückbar wie gnadenlos in den Weg stellen. Eines davon beginnt direkt bei den Fähigkeiten auf dem Instrument, was sich insbesondere bei komplexeren Passagen bemerkbar macht. Wenn manche Riffs, Melodien oder beispielsweise Akkorde und Griffwechsel auf der Gitarre noch nicht sitzen, was menschlich und normal ist, sorgt das für eine Verzögerung. Es entsteht ein Bruch im flüssigen Spiel, Die Zeit – Musik ist letztlich nichts Anderes in Zeit aufgeteilte Töne – läuft unbeirrbar weiter. Die einzige Chance, diese bremsenden Passagen auszugleichen, ist es zu schlampen. Oder sich eben besser vorzubereiten und zu üben.

Komfortable Möglichkeit: Der Zeit und den eigenen Händen vorausdenken

Wer nicht ungewollt permanent der Zeit hinterherrennen will, muss ihr gedanklich – nicht spielerisch – einen Schritt voraus sein. Wer beispielsweise als Trompeter nach Noten spielt, kennt das: Die Noten werden im Voraus gelesen, aber erst Sekunden oder Sekundenbruchteile später gespielt, eben  im passenden Augenblick. So ungefähr das ist damit  gemeint, der „Zeit voraus zu sein“. Wer das Timing trainieren will, muss ihm eine Falle stellen.

Menschlich, kaum zu ändern: Befindlichkeiten zwischen Lampenfieber und Euphorie

Ein nicht zu unterschätzender Grund für schwankendes Timing ist die persönliche Befindlichkeit. Wer vom Lampenfieber ergriffen wird, kann per se nicht mehr geradeaus denken. Im Umkehrschluss kann überzogener Enthusiasmus dafür sorgen, dass ihr an vom Timing-Drahtseil rutscht. Das große Kunststück lautet, überzeugend dynamisch und nicht minder ausgeglichen zu sein. Manche bezeichnen das auch als Routine, was allerdings ein etwas abgedroschener und verstaubter Begriff in diesem Zusammenhang ist.

Timing hat auch immer mit selbstsichere Befinden zu tun | Foto: Shutterstock von Bricolage

Die Bedeutung von Puls- und Herzschlag nicht unterschätzen

Aber das hat auch eine ganz konkrete Bedeutung, die keinesfalls unterschätzt werden sollte, damit ihr keinen persönlichen Kampf mit euch selbst beginnt und am Ende doch schulterzuckend und verständnislos vor dem Spiegel steht: Verstehen muss man den Einfluss von Puls- und Herzschlag auf das Taktgefühl. Hält man sich den Zusammenhang einmal vor Augen, kann man weitaus einfacher das Timing trainieren. Tatsächlich hat der Körper seinen eigenen Rhythmus: den Herzschlag. Beträgt der Ruhepuls beispielsweise 80 Schläge pro Minute, ist das euer körpereigenes Timing. Ihr atmet abgestimmt auf den Herzschlag, selbst eure Bewegungen orientieren sich daran. Und nun kommt’s, und das könnt ihr gerne ausprobieren:

Hashtag #allemalanschnallenjetztkommtwaserstaunliches

Wenn ihr euren Puls messt und nun das Metronom auf dieselbe Geschwindigkeit einstellt, wird es allenfalls ein geringes Problem sein, das Tempo geradezu entspannt einzuhalten. Stellt ihr den Taktgeber etwa auf die halbe oder doppelte Geschwindigkeit – also eine teilbare Zahl – wird es vermutlich immer noch gut funktionieren. (Aber jetzt nicht zu sehr freuen und in die Höhe  springen; ansonsten ändert sich der Puls.) Und nun kommt der zweite Teil des Versuches: Hashtag #allemalanschnallen. ? Wir messen wiederum den Puls; Tempo 80.

Unschuldig, weil schuldig: Weshalb das Körpergefühl entkoppelt werden muss

Jetzt stellen wird das Metronom leicht langsamer ein, beispielsweise mit Tempo 72 oder so ähnlich. Wer nun sein Timing trainieren will, wird automatisch gegen dieses nicht mehr teilbare oder besser gesagt gegen den eigenen Herzschlag gegenanspielen. Resultat, zumindest bei Untrainierten: Vermutlich werdet ihr zu schnell spielen und ruckzuck aus der nächsten Taktkurve fliegen. Spiegelbildlich gilt das für den umkehrten Fall. Läuft das Metronom schneller als euer Puls, werdet ihr intuitiv bremsen wollen. Ihr spielt zu langsam. Vertracktes Ding. Doch zumal wir nun wissen, dass wir unschuldig, weil schuldig sind, können wir damit umgehen und werden nicht mehr dagegen kämpfen.

Timing trainieren mit den Gebrüdern Metronom und Drum-Computer

Die zielbringenden Werkzeuge, wenn man das Timing trainieren will, sind die Gebrüder Metronom und Drum-Computer. Ob analog oder digital, diese Dinger denken nicht daran, sich aufhalten zu lassen oder sich dem wackelnden Tempo der Musiker anzupassen. Also funktioniert das nur im Umkehrschluss. Die Musiker müssen sich präzise an die Geschwindigkeit des taktgebenden  Metronoms halten. Klingt einfach, glaubt ihr? Jepp, zweifellos. Das klingt einfach, ist es aber nicht. Tatsächlich gehört das präzise Spiel zum „Klick“ über längeren Zeitraum zu den  größten Herausforderungen, insbesondere bei musikalischen Eisteigern und leicht Fortgeschrittenen.

Die Meister des Grooves üben oft mit Drum-Computer | Foto: Shutterstock von Syda Productions

Auf geht’s – Erfahrungen machen und Timing trainieren

Genug philosophiert, wir wollen das Timing trainieren. Beim üblichen Üben von neuen Songs lautet immer der Grundsatz, möglichst langsam zu beginnen. Erst wenn die Passagen sicher sitzen, wird das Tempo vorsichtig gesteigert. Weiter oben haben wir erläutert, weshalb das beim Verbessern des Timings der falsche Weg wäre. Wir beginnen keinesfalls  übertrieben langsam, stattdessen mit einer moderaten Geschwindigkeit. Stellt beispielsweise  80 bpm (Beats per minute) ein.

Hier ein paar gut funktionierende und beliebte Metronome:

Klick auf Klick im Stechschritt spielen

Nun spielen ihr auf jeden Klick, jede Zählzeit einen Ton, ohne bereits komplette Songs abzuliefern. Sobald das klappt, nehmt ihr euch einen möglichst simplen Song und spielt ihn exakt in diesem Tempo. Anfangs wird das nach wenigen Takten aus dem Ruder laufen. Einfach neu ansetzen und vor allem nicht ärgern. Es ist noch kein Takt vom Himmel gefallen. Wenn ihr auf jede einzelne Zählzeit spielt, müsst ihr euch dessen bewusst sein, dass ihr gerade übt, im Stechschritt zu spielen. Ihr entmenschlicht euch gerade.

Freiraum für Kreativität und emotionale Menschlichkeit schaffen

Das wiederum heißt, wir müssen uns wieder Freiraum für Kreativität und bewusst gewollte Timing-Schwankungen als musikalisches Stilmittel schaffen. Nächste Stufe ist, dass ihr das Metronom auf die halbe Geschwindigkeit einstellt, und euch nunmehr auf die Zwei und die Vier des Taktes konzentriert. Die müsst ihr  treffen. Dazwischen könnt ihr eigentlich machen, was ihr wollte. Und das lässt sich natürlich noch weiter steigern, indem Ihr euch nur noch auf die Eins oder ausschließlich auf die Vier konzentriert. Der Song beginnt wieder zu leben.

Je mehr Ihr das Tempo nun steigert oder reduziert, euch also von der inneren Mitte wegbewegt, umso präziser und sicherer müsst ihr spielen. Die Herausforderung steigt. Wer das Timing trainieren will und dabei Erfolg haben will, muss geduldig und wachsam zugleich sein. Da beißt die Katze dem Metronom kein Ohr ab, oder wie auch immer das heißt.

Die Timing-Meister: Cool und abgeklärt | Foto: Shutterstock von Konstantin Kolosov

Bloß der Musik nicht durch Überperfektion die emotionale Menschlichkeit nehmen

Übrigens: Das Timing gut halten zu können und zu beherrschen, ist unbedingt wichtig. Das sollte  allerdings nicht  dazu führen, dass eure Musik insgesamt nur noch klinisch und insofern emotionslos klingt. Leichte Schwankungen innerhalb der Songs sind insbesondere im Live-Szenario normal. Und die sind auch wichtig, damit das typisch Menschliche nicht auf der Strecke bleibt. Besondere Effekt könnte ihr erzielen, indem ihr bewusst nach dem Beat – layed  back – oder treibend vor dem Beat spielt. Das aber darf kein Zufallsprodukt musikalischer Wackelkandidaten sein. Wenn ihr euch mal was von Eric Clapton oder Peter Green anhört, wisst ihr schnell, wovon die Rede ist.

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Wenn ihr als Band euer Timing trainiert habt, lohnt sich vielleicht die Teilnahme an einem Bandwettbewert. Hier ein paar Informationen: „Lohnt sich die Teilnahme an einem Bandwettbewerb?

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