Wie funktioniert ein Tonabnehmer einer Gitarre

Ein kurzer Ausflug in die „musikalische Physik“

| Foto: Shutterstock von Zheltyshev

Du schlägst die Gitarrensaiten an, hörst „in natura“ eigentlich nur ein undefiniertes Scheppern. Aber spätestens aus dem Verstärker ertönt der volle Ton. Stellt sich die Frage, wie funktioniert ein Tonabnehmer einer Gitarre? Eigentlich ist das nicht kompliziert. Wir versuchen das Mysterium Pickup zu lüften:

Auf Spurensuche: Wie funktioniert ein Tonabnehmer einer Gitarre

  • Nicht komplizierter als ein Fahrraddynamo
  • Induktion und Elektromagnetismus
  • Wie die Schwingungen hörbar gemacht werden
  • Tonabnehmerplatzierung und Pole Pieces
  • Single Coils, Humbucker und Stacked-Humbucker
  • Sonderfall Piezo-Pickups

Musikalische Fahrradtour zur Veranschaulichung

Lass uns einen Ausflug machen. Schwingen wir uns gemeinsam aufs Fahrrad. Einfach ein wenig durch die Gegend daddeln und die Zeit genießen. Es wird langsam ein wenig dunkler. Kein Problem, schließlich hast du an deinem Rad vorne und hinten eine Beleuchtung, vorbildlich, vorschriftsgemäß, lobenswert.

Nach klassischem Vorbild ist an deinem Drahtesel noch ein simpler Dynamo montiert. Den drückst du nun an den Reifen. Das Rädchen des Dynamos berührt den Reifen und dreht sich dadurch selbst. Im Dynamo befindet sich ein Magnet, der von einem Draht umwickelt ist. Bezeichnet wird der Draht als Spule.

Der Dynamo nimmt nun seine Aufgabe wahr und arbeitet als Wandler. Die Rotationsenergie des Rades wandelt er in elektrische Energie. Und dank dieser elektrischen Energie leuchtet jetzt die Glühbirne. Du kannst weiterfahren. Weshalb dieser Ausflug? Nun, soeben hast du verstanden, wie der Tonabnehmer einer Gitarre funktioniert.

Der „Tonabnehmer“ an deinem Drahtesel | Foto: Shutterstock von Patrick Daxenbichler

Simple Physik für Gitarreros: Stichwort Induktion

Dein Tonabnehmer hat wie ein Dynamo eine Spule: Einen maschinell oder von Hand gewickelten Kupferdraht, der einen oder mehrere Magneten umschließt. Magnet und Spule funktionieren nur Hand in Hand. Und mit diesem Prinzip auch nur, wenn die Saiten aus Metall bestehen. Das, was noch eben das Rädchen deines Dynamos war, was für Rotation sorgte, ist nun deine Saite. Jetzt sprechen wir allerdings nicht mehr von Rotation, stattdessen von Schwingungen.

Konzentrieren wir uns auf Tonabnehmer | Foto: Shutterstock(von links nach rechts, oben begonnen): Eugeniusz Dudzinski, Pepgooner, Zheltyshev, Peryn22, Peryn22, Gecko Studio, Peryn22, PrinceOfLove

Wandlung von Bewegung in elektromagnetische Schwingungen

Sobald du eine Saite auf deiner E-Gitarre anschlägst, beginnt sie zu schwingen. Das menschliche Auge kann das kaum identifizieren. Die Sensibilität der Technik schlägt deine Adleraugen in dieser Disziplin um Längen. Du weißt längst, dass die Saitenschwingung je nach Tonhöhe, Spannung und Masse der Saite variiert.

Diese Schwingungen werden vom Tonabnehmer nach dem Prinzip der Induktion abgenommen. Aufgebaut wird ein magnetisches Schwingungsfeld. Durch den bei jeder Schwingung individuellen Abstand zwischen Saite, Spule und Magnet inklusive der Stärke der Saite identifiziert der Tonabnehmer die exakte Tonhöhe.

Der Tonabnehmer hat natürlich keine Ohren

Schon klar, dass dem Pickup die Höhe des Tons eigentlich vollkommen wumpe ist. Er identifiziert lediglich die Anzahl bzw. die Geschwindigkeit der Schwingungen. Und das Resultat leitet er über, Buchse und Kabel oder Sender weiter zum Verstärker. Erst dort werden die elektromagnetischen Schwingungen wieder gewandelt und über die Membranen der Lautsprecher oder Kopfhörer wieder hörbar gemacht.

Um es rudimentär auszudrücken: Spielst du auf der Gitarre den Ton A mit 440 Hz, also 440 Schwingungen pro Sekunde, nimmt das erst der elektromagnetische Tonabnehmer über Magnet und Spulen auf und transportiert das weiter. Am Ende der Signalkette flattert die Membran des Lautsprechers in derselben Geschwindigkeit und setzt die Umgebungsluft in Bewegung. Das ist dann der Ton, den du hören kannst.

Übrigens: Die Wicklungen des Kupferdrahtes um den Magneten sind echt eine Wissenschaft für sich. Die sind maßgeblich für den letztlich entstehenden Sound verantwortlich. Massenprodukte sind nach heutigem Standard bereits sehr gut. Individuell gefertigte Tonabnehmer haben dabei oftmals noch eine gehörige Sound-Schippe mehr zu bieten. Die Hersteller sind wahre Tüftler, Meister ihrer Disziplin. Auf diesem Gebiet gibt es echte Koryphäen.

Pole Pieces für exakte Abnahme der Einzelsaiten | Foto: Shutterstock von Africa Studio

Pole Pieces für punktgenaue Abnahme der einzelnen Saiten

Nun ist ja so, dass Tonabnehmer, die ausschließlich über einen breiten Magneten für sämtliche Saiten verfügen, für ein relativ schwammiges Abbild des Tones sorgen könnten. Ideal wäre es doch, wenn die Saiten jeweils einzeln abgenommen würden. In der Praxis ist das keinesfalls Wunschdenken, sondern eine vollkommen übliche Angelegenheit.

Konstruiert werden zahlreiche Tonabnehmer dafür mit sogenannten Pole Pieces. Sehen aus wie metallische Dots auf der Oberseite eines Pickups. Die sind so im Tonabnehmer montiert, dass dadurch die punktgenaue Abnahme der einzelnen Saiten ermöglicht wird. Es gibt auch Varianten, bei denen sich diese Pole Pieces noch einzeln justieren lassen, was durchaus Sinn macht.

Tonabnehmer müssen optimal platziert und justiert werden

Auch das ist Teil der Wahrheit: Für das gewünscht satte Soundergebnis ist die Position des Tonabnehmers entscheidend. Das will sagen: Der Abstand zwischen Saite und Tonabnehmer muss vernünftig eingestellt sein. Nicht zu weit voneinander entfernt, um die Strecke möglichst kurz zu halten. Allerdings auch nicht zu eng beieinander, damit keine Übersteuerungen auftreten.

Einspulig oder doppelspulig / Single Coils oder Humbucker

E-Gitarren sind mit einspuligen Pickups (Single Coils) oder doppelspuligen Tonabnehmern (Humbuckern) bestückt. Das Prinzip ist grob gesprochen dasselbe. Dennoch haben beide ihre jeweils individuellen Vorzüge:

Soundkamerad Nummer 1 – Single Coil

Single Coils klingen offener und liefern einen gefühlt authentischeren Ton. Sie ermöglichen diesen typisch knackigen Sound wie beispielsweise einer Stratocaster oder Telecaster. Aufgrund der Bauart mit einer Spule – entsprechend auch nur einem umwickelten Magneten – sind sie anfälliger für Einstreuungen und neigen auch gerne mal dazu, Störgeräusche zu übertragen. Dein Smartphone solltest du gerade bei höheren Lautstärken lieber gar nicht mit auf die Bühne nehmen. Andernfalls hört man, wenn deine Kommunikationszentrale nach einem Netz sucht.

Erste Variante: Single Coils | Foto: Shutterstock von Gordon Ball LRPS

Soundkamerad Nummer 2 – Humbucker

Humbucker sind zweispulig. Üblicherweise sind die beiden Spulen hintereinander platziert. Man könnte sie beinahe als zwei Tonabnehmer in einem verstehen, die Humbucker sind auch in etwa doppelt so breit wie Single Coils. Aufgrund der entstehenden Phasen sind Humbucker resistenter gegen Nebengeräusche und sorgen seltener für dieses brüllend unontrollierte Feedback, bei dem sich alle Musiker auf der Bühne nur noch dämlich anglotzen. Und ganz klar, der Humbucker liefert deutlich mehr Druck. Zudem ist er imstande, einen warmen, breiten Sound zu entfalten.

Zweite Variante Humbucker | Foto: Shutterstock von Studiotouch

Wenn kein Platz für einen ausgewachsenen Humbucker vorhanden ist

Übrigens gibt es auch sogenannte Stacked-Humbucker. Bei diesen Modellen sind die beiden Spulen übereinander angebracht. Resultat ist, dass diese Tonabnehmer, auch in E-Gitarren eingebaut werden können, bei denen kein breiter Schacht für einen „normalen“ Humbucker gefräst ist.

Sonder-„Stacked-Humbucker“, ehemals von Epiphone verwendet | Foto: Shutterstock von Thomann

Sonderfall Piezo-Pickups für akustische Gitarren und mehr

Weitere Variante sind die piezoelektrischen Pickups. Die funktionieren nach einem anderen Prinzip, nicht per Magnetismus. Diese Tonabnehmer bestehen aus Keramik und reagieren auf Druck oder Körperschall. Genutzt werden Piezo-Pickups insofern hauptsächlich bei akustischen Instrumenten wie Westerngitarren, auch Konzertgitarren, Mandolinen, Kontrabässen usw.

Der bedeutende Unterschied zu üblichen E-Gitarren-Tonabnehmern: Aufgrund des abweichenden Konzepts, funktionieren sie auch bei Nylon- oder Darmsaiten. Die Saite selbst muss nicht metallisch sein, zumal kein magnetisches Feld aufgebaut werden muss.

Praktisch sind sie bei der Abnahme von akustischen Instrumenten auch deshalb, weil sie etwas weniger rückkopplungsanfällig als Mikrofone sind. Klanglich haben diese Tonabnehmer allerdings auch einen deutlichen Nachteil zur Mikrofonabnehme. Der Ton wird üblicherweise nicht am bzw. vor dem Schallloch abgenommen. Insofern fehlt zwangsläufig ein Teil des Raumklangs. Trotz handelt es sich um eine häufig genutzte, funktionierende und bühnentaugliche Variante.

Piezo für die Akustik-Abteilung | Foto: Shutterstock von praphab louilarpprasert

Längst auch möglich bei E-Gitarren

Mittlerweile gibt es auch E-Gitarren, beispielsweise von Parker, bei denen sowohl elektromagnetische Tonabnehmer als auch sogenannte Piezo-Wandler eingesetzt werden. Zum besseren Verständnis: Dass Piezos auch mit Nylonsaiten genutzt werden können, heißt nicht, dass sie bei metallischen Saiten nicht funktionieren würden. Nur wird hier eben der Ton auf Basis des Drucks der jeweiligen Saite definiert.

Das Besondere ist, dass damit auch eine elektrische Gitarre verblüffend akustisch klingen kann. Um mal wieder kurz in die physikalische Kiste zu greifen: Druckschwankungen werden in Wechselspannung gewandelt. Und das klappt natürlich auch mit Stahlsaiten ohne Weiteres.

Bis dieses Soundvariante auch von E-Gitarristen genutzt werden konnte, hat es verblüffend lange gedauert. Immerhin ist es doch wirklich komfortabel bei einem Song mit unterschiedlichen Anforderungen nicht permanent die Klampfen wechseln zu müssen. E-Gitarren mit elektromagnetischen als auch keramischen Pickups sind sozusagen die Hybrid-Fahrzeuge der Musikbranche.

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