Latenz – ein Phänomen, das verstanden werden will

Wenn deine Ohren dem Ton hinterherrennen müssen

Foto: Shutterstock von Frame Stock Footage

Sowohl in der Bühnentechnik als auch im Studio tritt der Begriff der Latenz immer wieder auf. Oftmals wird er geradezu inflationär gebraucht, obschon nicht jedem klar ist, was er wirklich bedeutet und in welchem Zusammenhang eine Latenz überhaupt auftritt. Grundsätzlich meint die Latenz eine Verzögerung und somit ist schon mal eines klar: Eine zu hohe Latenz ist maximal ärgerlich.

Check it: Bedeutung der niedrigen Latenz

  • Latenz der wimpernschlagenden Augen
  • Distanz zwischen Sender und Empfänger
  • Mit Elektrik wird’s problematisch
  • Hohe Herausforderungen an Orchestermusiker
  • Latenz bei Drahtlossendern
  • Equipment checken, Datenmüll beseitigen

Latenz der wimpernschlagenden Augen

Ziemlich müßig wäre es, an dieser Stelle einen wirklich umfassenden – möglicherweise akademischen Artikel zum Thema der Latenz zu schreiben. Immerhin sind davon die unterschiedlichsten Bereiche betroffen, wie beispielsweise die Informationstechnik, das Versenden von digitalen Datenpaketen, die Telefontechnik und vieles mehr. Im Netzwerk ist die Latenz die Zeit, die ein Datenpaket benötigt um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Wusstest du zum Beispiel, dass ein menschlicher Wimpernschlag durchschnittlich zwischen 100 und 150 Millisekunden dauert? Das ist die Latenz der wimpernschlagenden Augen. Aus dementsprechend naheliegenden Gründen verzichten wir darauf und konzentrieren uns auf unsere musikalischen und aufnahmetechnischen Anwendungen.

Die natürliche Latenz aufgrund der Entfernung

Ein wesentlicher Bestandteil der Akustik ist die Verbreitung des Schalls. Transportiert werden die Schwingungen über die Luft und zwar mit einer klar definierten Geschwindigkeit von 340 Metern pro Sekunde (m/s). Das wiederum bedeutet, dass der Schall die Strecke von einem Meter innerhalb von 2,9 Millisekunden zurücklegt. Pragmatischer ausgedrückt: Wenn du ein Signal wie einen Presslufthammer, deine meckernde Mutter oder eine Gitarre in einem Meter Entfernung hörst, sind bereits 2,9 Millisekunden vergangen. Allgemein klar ist, dass die Beschaffenheit eines Klangs deutlich Einfluss darauf haben kann, ob wir die Latenzzeit akzeptieren oder nicht. Vermutlich wirst du die Gitarrenklänge schneller hören als die mahnen Worte deiner Mutter.

Aus der Distanz zwischen Signalquelle und Ohr ergibt sich automatisch eine Latenz. | Foto: Shutterstock von gritsalak karalak

Die Distanz zwischen Ohren und Instrument

Bleiben wir also bei den zunächst natürlichen Klängen, ist die Entfernung zum Instrument demnach der entscheidende Faktor. So beträgt etwa die Distanz zwischen einer akustischen Gitarre und deinen Ohren ungefähr 30 bis 40 cm. Der Klang hörst du aufgrund der Entfernung mit einer Verzögerung – Latenz – von etwa einer Millisekunde. Befindet sich das Instrument näher an deinen Ohren, verringert sich die zeitliche Verzögerung. Beispielsweise eine Geige tönt ja bereits unmittelbar neben deinen Lauschern. Die Latenz wird lediglich 0,3 Millisekunden betragen. Ähnlich bei den Gesangsakrobaten, die ihr Instrument direkt im Kopf mit sich herumtragen. Der Weg vom Rachenraum zum Ohr beträgt zumindest theoretisch 0,3 Millisekunden. Manchmal würde man sich wünschen, dass manche Gedanken ähnlich schnell ankämen.

Erst mit der Elektrik wird’s problematisch

So weit so gut und problemlos. Schwierig wird es dann, wenn wir uns weiter entfernt von der hörbaren Signalquelle befinden. Nehmen wir das Beispiel eines E-Gitarristen oder E-Bassisten. Das Instrument wird zwar direkt am Körper gespielt, doch das eigentliche Signal wird erst über den Verstärker im Lautsprecher wieder in hörbaren Schall verwandelt. Befindest du dich nun beispielsweise 3 Meter vom Speaker entfernt, hörst du den gespielten Ton erst nachdem rund 9 Millisekunden vergangen sind. Auch das hält sich noch im vertretbaren Rahmen, zumal das menschliche Gehirn imstande ist, solche Verzögerungen zu kompensieren. Tobst du aber über die Bühne und befindest dich ohne weitere Monitore 9 Meter vom Lautsprecher entfernt, hörst du das, was du spielst, erst nach 26,1 Millisekunden. Und das kann dich mühelos aus der Timing-Kurve schmeißen. Und nein, wenn du dich verhakst, kannst du die Zeit nicht wieder zurückdrehen.

Mit der Entfernung zur hörbaren Quelle wächst auch die Latenz. | Foto: Shutterstock von Hvsht

Machbar, weil das Gehirn uns einen positiven Streich spielt

Stellen wir uns nun vor, eine mehrköpfige Band steht auf der Bühne, wobei jeder auf sein eigenes, aber auch das Gesamtsignal angewiesen ist. Jeder einzelne hört sich und die anderen allerdings mit jeweils unterschiedlicher Latenz. Setzt man nicht auf komplexe Monitorsysteme, von denen die jeweils unterschiedliche Verzögerung wieder ausgeglichen wird, sodass die Signale bei jedem Bandmitglied wieder nahezu zeitgleich ankommen, ist das verwaschenen Timing der Band das unausweichliche Resultat.  Keiner meint es böse oder hat geschlampt, allesamt unterliegen lediglich den Grundgesetzen von Akustik und Physik.  Der Grund, weshalb es dennoch funktioniert, ist, dass das menschliche Ohr respektive – so vorhanden – das Gehirn nicht fähig ist, zwei Schallquellen zu unterscheiden, die mit einer Latenz von höchstens 11 Millisekunden aufgefangen werden.

Höchste Herausforderungen an Orchestermusiker

Grundlegend wichtig ist es demnach, dass die Musiker relativ nah beieinanderstehen. Allerdings ist das schlichtweg nicht immer möglich; so etwa beim klassischen Orchester. Allein schon die Anzahl der Musiker über die Instrumentengruppen hinweg sorgt dafür, dass sich manche in satter Entfernung von rund 20 Metern befinden. Die Rechnung ist simpel, aber erschreckend: 2,9 Millisekunden x 20 Meter = 58 Millisekunden. Alles, was den Wert von 11 Millisekunden übersteigt, sorgt aber für Verwirrung. Verbleibt die Frage, wie die Orchestermusiker es dennoch schaffen, das Timing nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen. Tatsächlich liegt die Lösung in einem komplexen Netz der Maßnahmen, geradezu vergleichbar mit einem Spinnennetz, eine Frage der Orientierung. Zunächst orientieren die Musiker sich am Dirigenten, dann am Konzertmeister, zeitgleich aber akustisch innerhalb ihrer und den angrenzenden Instrumentengruppen. Mit Routine wird gelernt, die falschen Signale auszublenden. Hinzu kommen etwaige Monitorsysteme. Für den Dirigenten gehört es zu den höchsten Herausforderungen, das gesamte Orchester im Timing zu führen.

Im Orchester muss man mit Tricks arbeiten, um die Latenz zu überhören. | Foto: Shutterstock von Igor Bulgarin
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Latenz bei drahtlosen Gitarrensendern

Hochbedeutend ist eine möglichst niedrige Latenz bei drahtlosen Sendersystem, etwa bei Gitarrensendern. Wie erwähnt bezeichnet die Latenz den Zeitraum, der vergeht, bis das Ausgangssignal beim Empfänger ankommt. Wenn du als Gitarrist mit einem herkömmlichen Kabel spielst, kommt das Signal der Gitarre derart schnell beim Verstärker an, dass du eine dabei vergehende Zeitspanne nicht ansatzweise wahrnimmst. Übrigens nicht mal dann, wenn das Kabel extrem lang ist. Spielst du nun über einen Gitarrensender kann die Geschichte schon vollkommen anders aussehen. Du spielst die Saiten an, aber er erklingt erst mit leichter Verzögerung.  Schwierig ist das deshalb, weil die digitale Latenz mit der natürlichen Latenz addiert wird. Die geringstmögliche Latenz ist bei Gitarrensendern ein unbestreitbares Qualitätskriterium.

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Latenz bei Drahtlosmikrofonen

Gleichermaßen gilt das beispielsweise für Mikrofone. Heutzutage wird ja gerne mal auf die kabelfreie Variante gesetzt; umso aufgeräumter ist die Bühne und umso größer ist die Bewegungsfreiheit. Wer als Sänger nicht permanent vor dem Mikro stehen möchte, ist mit einem Drahtlosmikrofon bestens beraten. Allerdings unter der dringenden Voraussetzung der minimalen Latenz. Wenn das Signal zu spät bei Pult ankommt, stolperst du über die eigene Stimme und bist nicht imstande das Timing zu halten. Immerhin muss man auch die Strecke bedenken, die das Signal ohnehin benötigt, bis es wieder bei deinen Ohren ankommt.

Ohne vernünftiges Monitorsystem singt man gegen die Zeit. | Foto: Shutterstock von GBJSTOCK

Latenz in der Musikproduktion

Im Bereich der Musikproduktion hat die Latenz noch eine weiterfassende Bedeutung. Dabei geht es nicht nur um die Übertragung von einem Sender zum damit gekoppelten Empfänger. Vielmehr bezieht sich die Latenz auf den gesamten Weg vom erzeugten Signal bis es letztlich in der DAW verarbeitet und hörbar gemacht wird. Und die kann abhängig von der Qualität der genutzten Komponenten beträchtlich sein. Unmittelbare Auswirkungen hat dabei zunächst die Leistungsfähigkeit des Rechners. Aber auch die weiteren Komponenten wie etwa externe Effektgeräte können die Latenz in unangenehme Bereiche treiben, in denen sich schlichtweg nichtmehr vernünftig arbeiten lässt.

Für besserer Ergebnisse den Arbeitsspeicher aufrüsten

Wer die Latenz im Home- oder Tonstudio in den Griff bekommen möchte, sollte sich zunächst dem Rechner und hier insbesondere dem Arbeitsspeicher widmen. Ein Arbeitsspeicher mit einer Kapazität von 16 GB ist bereits vorbildlich. In den meisten Fällen kann man auch mit 8 GB recht gut leben. Vorteilhaft ist, dass zeitgemäße Computer mit der Option ausgestattet sind, den Arbeitsspeicher im Dual-Channel-Mode zu installieren, was der möglichst niedrigen Latenz deutlich entgegenkommt.

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Den Müll von der Festplatte schmeißen

Im Laufe der Zeit sammeln sich viele unnütze Daten auf der Festplatte an, solche die du nie wieder benötigst, die den Rechner jedoch langsamer machen. Solche Daten sammeln sich sogar in zusammenhängenden Fragmenten, was umso schlechter für die erzielbare Rechengeschwindigkeit ist. Die nächste Teillösung heißt somit Defragmentieren. In diesem Punkt befinden sich die Festplatten allerdings gerade im Wandel. Defragmentiert werden müssen lediglich herkömmliche HDD-Festplatten. Bei SSDs ist das nicht mehr nötig.

Die Isolation deiner musikalischen Projekte

Damit der Rechner möglichst schnell arbeiten kann, muss man ihm den nötigen Freiraum geben. Durchaus sinnvoll kann es sein, das Betriebssystem und die musikalischen Anwendungen voneinander zu isolieren, sie also zu trennen, wofür eine weitere Festplatte benötigt wird. Mit der zweiten Festplatte wird erreicht, dass aufgrund der verdoppelten Anzahl der Leseköpfe die Zugriffszeit reduziert wird. Gleichbedeutend ist die geringere Zugriffszeit in vielen Fällen mit einer reduzierten Latenz.

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Auch interessant: „Kopfhörer-Impedanz – Bedeutung für Musiker und Home-Studios“.

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