Handyverbote bei Konzerten – No-Phone-Zone!

Wichtiger Schritt oder total übertrieben?

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Aktuell geht ein nicht zu überhörendes Raunen durch die Musik- und Konzertszene. Renommierte Acts wie Bob Dylan oder die Band Ghost sprechen bei ihren Konzerten strikte Handyverbote aus. Überfällig oder übergriffig? Einschränkend oder ein Gewinn für alle? Bringen Handyverbote bei Konzerten die Magie zurück in die Locations oder sind solche Maßnahmen vollkommen aus der Zeit gefallen?

Mit einem absoluten Handyverbot bei seinen Konzerten sorgte Bob Dylan für reichlich Aufmerksamkeit in der Musik- und Fanszene. Bei seinen Auftritten werden auch künftig keine Handys erlaubt sein. Dazu gehört ein komplettes Verbot für Telefonate, sowie Video- und Fotoaufnahmen und sonstige Nutzungen. Gefühlt drastische Worte erscheinen auf der Website der Ticketanbieter: Jeder der mit einem Handy in der Halle erwischt wird, wird sofort der Halle verwiesen.“

Das mag für Atmosphäre sorgen, kann aber auch nerven. | Foto: Shutterstock von Ververidis Vasilis

Dylan hat öffentlich keine Gründe genannt

Konzertgänger, die Handys mit zum Konzert nehmen, müssen die beim Eingang in einer speziellen Tasche mit integriertem Sicherheitsverschluss verstauen, der über das gesamte Konzert verschlossen bleiben muss. Wer sich den Regeln widersetzt, darf nach Hause oder wohin auch immer gehen. Dylan selbst hat sich übrigens zu seiner Entscheidung für das Handyverbot bislang nicht geäußert. Das mag die Crowd allerdings kaum verwundern. Schließlich ist der ikonisch meinungsstarke Sänger und Songwriter dafür bekannt, dass er auch locker mal mit dem Rücken zum Publikum spielt oder den Nobelpreis ablehnt.

Tatsächlich befindet er sich in bester Gesellschaft

Die Debatten sind entbrannt, allerdings keinesfalls zum ersten Mal. Bereits 2018 hatte Jack White mit seiner Band The White Stripes den Zuhörern das Mitbringen ihrer mobilen Kommandozentrale untersagt. Im wahrsten Sinne des Wortes „smarter“ ausgedrückt, sprachen manche davon, er habe „seine Fans für einen Abend das Handy vergessen lassen.“ Dylan befindet sich auch in Gesellschaft von etablierten Stars wir Madonna oder Kate Bush, die ähnliche „No-Cellphone“-Modelle ausgerufen hatten.

Wer Handys beim Konzert nutzt, fliegt raus

Damals wie heute sprangen weitere Acts auf diesen kontroversen Zug auf, aktuell beispielsweise die schwedische Heavy-Metal Band Ghost um Frontmann Tobias Jens Forge: „(…) Wer Handys beim Konzert nutzt, fliegt raus.“ Doch was steckt dahinter; geht es nur um Film- und Persönlichkeitsrechte; gibt es wirklich nur eine einzige nachvollziehbare Sichtweise oder sprechen wir sogar von einem Konflikt der Generationen?

Wer sich nicht an die No-Cellphone-Regeln hält, fliegt raus | Foto: Shutterstock von Bits And Splits

Spielen gegen die Smartphone-Wand, ohne anzukommen

Künstler reklamieren mehrere Gründe, die sie zu dieser Entscheidung bewegen. So sind sie genervt von der Omnipräsenz und permanenten Nutzung der Smartphones als Aufnahmemedium, zumal die Crowd dadurch vom eigentlichen Konzerterlebnis abgelenkt werden. Zudem wird die Interaktion und Kommunikation, die für Live-Acts doch so immens wichtig ist, vollkommen zerstört. Die Bands haben das Gefühl gegen eine Smart- und iPhone-Wand gegenanzuspielen, ohne wirklich bei den Fans anzukommen.

Konzerte leben auch von Spontaneität und dem Mut zum Scheitern

Wer rund um die Uhr aufgezeichnet wird, muss auch damit rechnen, dass etwaige Fehler auf den Videos landen und unmittelbar im Web den viralen Gang antreten. Musikalische Fehltritte oder leicht misslungene Ansagen landen unmittelbar im Web, werden zumeist höhnisch kommentiert und gnadenlos auseinandergenommen. Das Internet vergisst nicht. Doch gerade das Experimentieren und Ausprobieren auf der Bühne, sorgt eigentlich für den speziellen und eben auch durchaus menschlichen Reiz.  Ebendas wird vollkommen ausgebremst; Überraschungen werden weniger, die Performance wird frei von Abweichungen perfektioniert.

Konzerte mutieren zum Selfie-Hintergrund

Wird ein Konzert auf das Schiffbruch-Niveau derer heruntergeschraubt, die tagtäglich ihnen unbekannten Menschen auf Bildern und Videos zeigen, was sie gleich wieder Tolles essen werden? Mutiert ein Konzertbesuch zum Hintergrund einer Selbstdarstellung mit erhofftem Celebrity-Faktor? Oder um es anders auszudrücken: Da spielen sich Künstler auf der Bühne die Seele aus dem Leib, fühlen sich aber ungefähr so wertgeschätzt wie bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn, wo lieber die Smartphones gezückt werden, statt unverzüglich die Rettungsgasse freizumachen.

Experimentierfreude und starke Statements werden ausgebremst

Provokante Statements oder nicht einstudierte Ansagen, wird’s bald nicht mehr geben, was der Cancel-Culture eine neue einschränkende Dimension der Social-Media-Macht gibt. Wurde beispielsweise die Wirkung von neuen Songs mit all ihren Ecken und Kanten im Live-Szenario ausprobiert, finden Premieren heutzutage bei Instagram statt. Live-Feeling der analogen Konzertstimmung wird aus Furcht vor Hohn gekappt. Weshalb sollte man sich dem aussetzen?

Die Kehrseite von Sichtweise und Perspektive

Zweifellos existieren vollkommen andere Sichtweise und Realitäten, andernfalls würde das Thema kaum derart kontrovers diskutiert. Die Generation, die mit dem Smartphone auf die Welt gekommen ist, kann über Handy-Verbote allenfalls mit den unverständigen Köpfen schütteln. Für junge Menschen gehören Filmen, Fotografieren und schlussendlich auch Posten und das Einsammeln von Likes zum Konzert einfach dazu. Auch dafür gibt es im aktuellen Lifestyle mehr als nachvollziehbare Argumente.

Musikbranche und Gesellschaft im Wandel

Selbst bei nüchternster Betrachtung gibt es in unserer reizüberfluteten Gegenwart keinen wirksameren Multiplikator der Reichweite, der Bekanntheitsgrades und somit auch des Erfolgs als die Social-Media-Plattformen. Die Künstler und Künstlerinnen der Gen Z gehen – und das sollten die Älteren endlich begreifen – einen gegenüber früher vollkommen konträren und gewissermaßen auf den Kopf gestellten Weg. Sie touren sich nicht erst den Hintern auf endlosen Touren ab, um ihre Musik zu promoten und drehen anschließend vielleicht ein Musikvideo.

Für Gen-Z-Stars sind Handyverbote sinnlos

Exakt das Gegenteil ist der Fall. Sie haben ihre ersten – und oftmals gigantischen – Erfolge auf Social-Media, sammeln Millionen von Klicks und bei den Streaming-Plattformen unfassbare Downloads ein und gehen erst dann auf Club- und Stadion-Touren, die nicht selten ausverkauft sind. Für Künstlerinnen und Künstler, die mit TikTok und Co. aufgewachsen und insbesondere durch ihre Social-Media-Videos im Internet viral gegangen sind, sind Handyverbote sinnlos. Ihre Fans würden solche Maßnahmen wohl kaum verstehen.

Etliche Künstler nutzen Social Media als Marketing-Booster | Foto: Shutterstock von Christian Bertrand

Mega-Star Adele denkt nicht an ein Handyverbot

Dass Videoschnipsel und Pics von Konzerten in den sozialen Medien vor allem kostenlose und kaum arbeitsintensive Werbung für die Acts sind, haben allerdings auch manche Megastars längst erkannt. Und auch das zeugt von Professionalität. So lässt Adele ihre Shows von Anfang an so konzipieren, dass sie möglichst attraktiv für Social Media erscheint und möglichst viel kostenfreie Reichweite erzeugt. Die Verbreitung über sämtliche Kanäle, um die sie oder ihr Team sich noch nicht mal aktiv kümmern müssen, ist Teil ihrer mehr als erfolgreichen Marketingstrategie.

Smartphons unter Beutelverschluss

Praktisch wird Handyverbote übrigens keinesfalls so umgesetzt, dass die Security während des Konzerts unablässig die Besucher beobachten muss und bei Zuwiderhandlung aus dem Saal schmeißt, auch nicht indem bei einem großen Konzert 60.000 Handys in einen Container geschmissen und anschließend wieder ausgegeben werden. Genutzt wird dafür vielmehr eine spezielle, erstmals 2014 entwickelte Handytasche, die sich nur mit einem passenden Werkzeug öffnen lässt, vergleichbar mit der Diebstahlsicherung von Textilien im Einzelhandel. Das Konzept von Graham Dugoni ist längst zum Erfolgsrezept geworden, sorgt in Clubs für ungehemmtes Feiern und in Schulen für ungestörte Lernräume. Erneut haben nun auch Künstler diese Möglichkeit für ihre Konzerte entdeckt.

Was hältst du von „No-Phone-Zones“? Wir freuen uns auf deinen Kommentar und eine meinungsstark spannende Debatte!

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Ebenso kritisch und zwiespältig wird dieses Thema aktuell in der Öffentlichkeit diskutiert: „Künstliche Intelligenz in der Musik – ein zweifellos heißes Eisen

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