Die ewig Gestrigen scheinen zu glauben, dass nahezu ausschließlich Männer hinter dem Drumset sitzen. Das stimmt nicht mehr so ganz und zwar schon lange nicht mehr. Vielmehr beweisen zahlreiche hochbegabte Musikerinnen, dass sie die notwendige Stärke, Technik und Musikalität für den Groove haben. Hier nur ein paar der Frauen am Schlagzeug, die sich auf oberstem Niveau beweisen:
Check it: Frauen am Schlagzeug
- Vorurteile sind grundsätzlich verkehrt
- Von Legenden bis zu Talenten
- Drummerinnen an der Seite renommiertester Künstler
- Druck und Kraft weiblich interpretiert
- Musikalische Welten im Wandel
Frauen am Schlagzeug – weshalb das längst Selbstverständlichkeit ist
In der lange männlich geprägten Schlagzeug-Welt sind die Vorurteile längst gebröckelt. Wer meinte, eine Frau könne nicht derart druckvoll spielen wird seit Jahrzehnten von den Power-Ladys eines Besseren belehrt. Vielmehr zeigen die Frauen, dass körperliche Kraft bei Weitem allenfalls die unbedeutende Kehrseite der Medaille ist. Sie brillieren mit virtuoser Spieltechnik und großer Individualität. Ganz sicher nicht erst seit gestern:
1. Viola Smith – die Grande Dame des Schlagzeugs
Im stolzen Alter von 107 Jahren ist Sheila Smith 2020 verstorben. Die Grande Dame des Schlagzeugs gehörte über viele Jahrzehnte zu den prägendsten Musikerinnen schlechthin. Ihr Motto hieß „Fleiß‘. Üben, üben, üben. Dass war für sie keine Belastung, stattdessen selbstverständliche Aufgabe und Anforderung. Ebenso wie die Tatsache, dass sie teilweise über Monate täglich fünf Gigs spielte, was ihr auch eine unvergleichliche Routine einbrachte.
Dabei tauchte sie tief ins Nachtleben von New York und spielte mit Legenden wie Benny Goodman, Ella Fitzgerald und Billie Holiday. Richtig nach vorne ging ihre Karriere nach einem Auftritt in einer Amateur-Talentshow. Vor Violas‘ Einstieg hatte ein nicht ganz unbekannter Entertainer die Show gewonnen: Frank Sinatra. Ohne Übertreibung lässt sich behaupten, Sheila ist die Pionierin der weiblichen Drummer schlechthin gewesen.
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„Frances Carrol & Her Coquettes Featuring Drummer Viola Smith”
2. Bobbye Hall
Sehr früh begonnen hat auch Bobbye Jean Hall. Bereits im Alter von 10 Jahren spielte sie in einem Nightclub in ihre Geburtsstadt Detroit und wurde dabei von einem Motown-Arrangeur angesprochen. Als Bobbye 1970 nach Los Angeles zog, wurde sie dort zu einer der ersten weiblichen Session-Musikerinnen an Schlagzeug und Perkussion, was bis dahin eigentlich eine Domäne der Männerwelt war. Zuweilen spielte sie Sessions mit der Wrecking Crew. Perkussion-Parts steuerte sie bu Marvin Gayes „Inner City Blues“. Congas spielte Bobbye Jean für die Temptations.
Und dann saß sie zum ersten Mal für Chris Ethridge hier einem komplette Drum-Kit. Der war begeistert und setzte bei mehreren Alben auf ihre Fähigkeiten. Es sollten etliche weitere Stationen auf die Schlagzeugerin warten. Richtig ab ging die Karriere als sie ab 1978 von Bob Dylan mit auf Welttournee genommen wurde. Im Laufe der Jahre hat Bobbye Hall für eine Vielzahl weiterer Acts Studioaufnahmen eingespielt. Das beginnt bei Kim Carnes, geht über Rod Stewart, Jefferson Starplane und endet bei Aretha Franklin, Diana Ross oder Tracy Chapman noch lange nicht. Die Liste ist schlichtweg endlos.
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„Liner Note Legens #4: Ms. Bobbye Hall“
3. Sheila E. – Drummerin und Inspiration von Prince
Zu den ganz großen Schlagzeugerinnen gehört Sheila Cecilia Escovedo, besser bekannt als Sheila E. Noch keine 20 Jahre alt, gab sie bereits ihr Plattendebut. Bald darauf durfte sie in der Begleitband von Diana Ross, George Duke, Herbie Hancock, Lionel Richie und Marvin Gaye ihr Talent beweisen. Es folgten etliche weitere rastlose Stationen zwischen Studio und Stage. Dann, Anfang 1984, lud Prince sie zu Aufnahmen in sein Studio in Los Angeles ein. Es sollte eine langjährige Zusammenarbeit werden, wobei Prince immer wieder betonte, wie sehr Sheila E. ihn inspirierte.
Gemeinsam spielten sie vor Millionen von Menschen. Und auch privat kamen die beiden sich näher, wenngleich die Beziehung sich ab Anfang 1985 seltsam entwickelte. Bei den American Music Awards in den USA wurden die Gäste von Prince‘ Leibwächter angewiesen sich umzudrehen, zumal seine Freundin komme. Kurioserweise sagte der Bodyguard das auch zu Stevie Wonder. Die Freundin von Prince war Sheila E. Längst ist klar: Sheila ist eine der bedeutendsten Schlagzeugerinnen unserer Zeit und befindet sich auf der Rolling-Stone-Liste der 100 besten Drummer aller Zeiten.
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„Prince and Sheila E. Alma Awards 2007“
4. Evelyn Glennie – die tonfühlende Schlagzeugerin
Eine weitere Top-Drummerin mit beachtlichen Fähigkeiten und einem für Musiker ungewöhnlichen Handicap ist Evelyn Glennie. Gezählt wird sie zu den weltbesten Schlagzeugerinnen. Allerdings ist sie beinahe taub. Und zwar bereits seit ihrem achten Lebensjahr. Seit sie damals ihr Hörvermögen zu 80 Prozent verlor, entwickelte Evelyn eine spezielle und sehr hilfreiche Fähigkeit:
Klemmte sie sich Lautsprecher zwischen die Beine, konnte sie die Töne der Aufnahmen spüren. Diese Fähigkeit perfektionierte sie immer weiter. Töne nimmt sie als Schwingungen wahr, ohne die wirklich akustisch zu hören. Unbesehen dessen – oder vielleicht gerade deshalb – hat Evelyn Glennie in London Klavier und Schlagzeug studiert.
Die zeitgenössische Ausnahmekünstlerin ist rast- und ruhelos. Jährlich spielt sie mehr als 100 Konzerte, hält Meisterklassen ab, tritt in Schulen auf und spielt solo als auch mit den großen Orchestern der Welt und weiteren Ensembles. Interessant in dem Zusammenhang ist, dass Glennie mehr als 1.800 Perkussion-Instrumente besitzt.
Nicht zu vergessen, dass Evelyn Glennie hochdekoriert ist. Ausgezeichnet ist sie mit einem Grammy; geehrt wurde sie mit insgesamt 15 Ehrendoktorwürden britischer Universitäten. 2007 wurde sie in den britischen Adelsstand erhoben. Wer sie spielen sieht, glaubt kaum, dass sie nahezu gehörlos ist. Evelyn tritt ohne Schuhe auf. Sie hört die Töne nicht, sie fühlt.
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„Die gehörlose Perkussionistin Evelyn Glennie“
5. Maureen Tucker – Startschuss mit „The Velvet Underground“
Internationale Berühmtheit erlangte sie als eine der ersten Frauen an den Drums: Maureen „Moe“ Tucker war Schlagzeugerin von „The Velvet Underground“. Von 1965 bis 1970 war sie an mehreren Studioalben der experimentellen Artrock- und Protopunk-Band um Lou Reed, John Cale und Sterling Morrison beteiligt, die von keinem Geringeren als Andy Warhol gefördert wurden.
Interessanterweise zählt Velvet Underground nach heutigen Maßstäben zu einer der einflussreichsten Rockbands der Musikgeschichte. Allerdings schien die Zeit damals noch nicht reif für ihre provokanten Texte über Drogenexzesse, Transvestiten oder Sadomasochismus. Die Band war kommerziell erfolglos, was allerdings ihr Standing keinesfalls schädigen sollte.
Erst recht nicht das Standing von Maureen Tucker. Sie war nicht nur eine der öffentlich bekannten Schlagzeugerinnen; zugleich zeichnete sie sich durch ihre unkonventionelle Spielweise aus. Oftmals spielte sie im Stehen, die Bass-Drum bearbeitete sie mit Fellschlegeln anstelle einer Fußmaschine. Statt Becken setzte sie das Tambourin ein. Ungewöhnliches Setup; auch das ein Anzeichen dafür, wie kreativ und eigenständig Moe an den Drums war. Vom Magazin „Rolling Stone“ wird sie unter den hundert besten Schlagzeugern genannt.
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„The Velvet Underground: Moe Tucker Part 1”
6. Cindy Blackman – die Vielbeschäftigte
Bekannt wurde die US-amerikanische Jazz- und Fusion-Drummerin Cindy Blackmann als Schlagzeugerin von Lenny Kravitz. Ab 1993 arbeitete sie 11 Jahre für den Rocksänger. Für die rastlose Musikerin war das lange nicht genug. Sie spielte mit weiteren Größen des Musik-Business, tourte anschließend mit TM Stevens, danach mit Jack Bruce.
Und regelmäßig übernahm Cindy auch die Drums in der Band von Carlos Santana, was ein besonderes Happy End nach sich zog: 2010 heirateten Carlos Santana und Cindy Blackman. Die Ausnahme-Drummerin wurde 2016 vom Rolling Stone in die Liste der 100 besten Schlagzeuger aller Zeiten aufgenommen.
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„Cindy Blackman Santana – Drum Solo“
7. Meytal Cohen – Video-Wonder mit Millionen Klicks
Online berühmt geworden ist Meytal Cohen. Die aus Israel stammende Schlagzeugerin mit irakischen Eltern hat in frühzeitig nach Los Angeles, um die dortige Music Academy zu besuchen. Nachdem sie zwischenzeitlich einen Verkehrsunfall überstanden und dessen Folgen auskuriert hatte, gehörte hochkarätige Namen wie Joe Porcaro, Ralph Humphrey und weitere zu ihren Schlagzeuglehrern. Meytal gründete die Classical-Crossover-Band Metaphor und ging auf Australien-Tour.
Dann kam der positive Hammer: Gedreht, eingespielt und produziert hatte Cohen ein Bewerbungsvideo für eine Castingshow. Eingeladen wurde sie und ihre Mitmusikerinnen nicht. Aber sie veröffentlichten das Video auf YouTube. Nach sechs Monaten stand der Track bereits bei mehr als 3 Mio. Klicks. Übergreifend über ihre gesamten Videos hat sie etwa 2 Mio. Klicks eingesammelt. Die Drummerin hat mittlerweile ihre eigene Band gegründet. Wie könnte die Band heißen? Natürlich: „Meytal“.
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„Meytal – Delusion – Drum Playthrough by Meytal Cohen”
8. Janet Lee Weiss
Das muss eine Band erst mal wegstecken, wenn eine der weltbesten Schlagzeugerinnen sich verabschiedet. So jüngst geschehen bei „Sleater-Kinney, das künftig auf die Drummerin Janet Lee Weiss verzichten muss. Die Band der Riot Grrrl-Bewegung sollte zum 25. Jubiläum gerade erwachsen werden, das neue Album auf den Markt gebracht werden.
Dazu sollte es – zumindest zu dritt – nicht mehr kommen. Per knapper Twitter-Botschaft hat Schlagzeugerin Janet Weiss ihren Ausstieg bekanntgegeben. Diese Nachricht ist ein herber Schlag für Sleater-Kinney. Immerhin behauptet Janet Weiss sich wie nur wenige Drummerinnen unter den 100 Top-Drummern aller Zeiten.
Und ihr Weg bis zu diesem Status ist nicht uninteressant. Üblicherweise ist man der Meinung, dass solche Erfolge nur Wunderkinder feiern können, die von der Windel direkt ans Instrument gesetzt werden. nicht so bei Janet. Die Kalifornierin hat zunächst mit späten 16 Jahren auf der Gitarre begonnen. Auf den Drums legte sie erst während ihrer Studienzeit los. Es sollte nicht lange dauern, bis zu richtig drauflos dreschen konnte. Wir hier:
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„2 Minuten mit Janet Weiss”
9. Roxy Petrucci
Als eine der ersten weiblichen Hard-Rock- und Metal-Bands sorgte die Band „Vixen“ für Furore. Bestehend ausschließlich aus Frauen, hatte die Band automatisch etwas Besonderes. Am Schlagzeug sorgte Roxy Petrucci für reichlich Dampf. Die Drummerin spielte auch bei „Madam X“, gegründet gemeinsam mit ihrer Schwester. Roxy verkörpert die Frauen-Power mit ihrem unbändigen und druckvollen Spiel.
Sie treibt und treibt und bevorzugt es vor Headbangern abzuliefern. Möglichst noch den Moshpit anzutreiben und auf die Festival-Atmosphäre erleben. Interessant ist ein Blick auf die Gründungs- und Trennungsdaten. Die rockenden Damen waren sich offensichtlich nicht immer einig. Satte drei Mal haben sie sich getrennt und zweimal wieder zusammengefunden. Wir sind gespannt, was die Zukunft bringt. Eine Power-Lady, wie sie im Buche steht.
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„Roxy drum groove snippet”
10. Meg White
US-Drummerin Megan White ist für radikal introvertiertes, sehr lautes Schlagzeugspiel und ihr zugleich freundlich-schüchternes und sympathisches Wesen bekannt. Gemeinsam mit ihrem – damaligen Ehemann Jack White gründete sie die White Stripes. Jack hatte eigentlich mit einem anderen Drummer zusammengearbeitet. Also die beiden sich trennten wurde einfach Meg an die Schießbude gesetzt. 1997 hat Meg die Musikwelt im Sturm erobert. Ebenso schnell hat sie 1997 der Musik den Rücken gekehrt. Allerdings aus einem mehr als nachvollziehbaren Grund:
Die Künstlerin war erkrankt und will mit dieser Erkrankung ehrlich umgehen. Auch in 2019 noch nicht in der Lage, anstrengende Reise zu unternehmen. Sie scheint sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen zu haben, gibt auch keine Interviews. Diejenigen, von denen sie damals für ihr rudimentäres Spiel kritisiert wurde, dürfte mit der Nachricht ein wenig der Wind aus den Segeln genommen werden, dass auch Meg White zu den illustren Top-100 der Drummer beim Rolling Stone zählt.
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„Meg White being cute for 3 minutes straight”
In einer vom „Rolling Stone“ erstellten Liste der besten Schlagzeuger aller Zeiten tauchen gerade mal fünf Frauen auf. Vermutung liegt nahe, dass das auch ein Spiegelbild der Gesellschaft vergangener Zeiten war. Um in einer Aufzählung der „Besten aller Zeiten“ genannt zu werden, braucht es auch eine Portion Zeit. Nur hat es leider lange gedauert, bis Frauen an dieser Zeitrechnung überhaupt teilnehmen konnten.
Dass gesellschaftlich akzeptierte Gleichberechtigung sich auch in der Kultur spiegelt, ist eine zwangsläufige Selbstverständlichkeit. Glücklicherweise hat sich dieses Selbstverständnis im Laufe der Jahrzehnte in vielen Bereichen gewandelt und das Schlagzeugspielen hat seinen Nimbus als typischer „Männerberuf“ abgelegt. Also können auch ambitionierte Drummerin jederzeit einsteigen. Nur Mut.
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Auch E-Drum zu spielen kann für ambitionierte Nachwuchsschlagzeugerinnen interessant sein. Hier unser Artikel zum Thema: „Schlagzeug spielen auf dem E-Drum: Alles, was du wissen musst“.