Stimme ist Instrument des Jahres 2025

Das zweifellos älteste Instrument der Welt

Foto: Shutterstock von SeventyFour

Leben wir zu optisch? Ist der visuelle Eindruck bedeutender als der akustische? Die Jury der Landesmusikräte hat die Stimme zum Instrument des Jahres 2025 gekürt. Konzerte, Vorträge und pädagogische Angebote sollen nunmehr auf die endlos unterschiedlichen Facetten der Stimme aufmerksam machen. Ist sie nicht der authentische Ausdruck der Persönlichkeit schlechthin?

Check it: Die Stimme ist Instrument des Jahres 2025

Die Landesmusikräte haben die Stimme zum Instrument des Jahres 2025 erklärt. Erfahre hier mehr über die Gründe, weshalb das definitiv älteste Instrument der Welt aktuell in den Mittelpunkt gerückt wird und mache mit uns einen Ausflug in den Operngesang.

  • Wieso die Wahl durchaus etwas kurios anmutet
  • Was die Besonderheiten der Stimme sind
  • Weshalb es nicht nur um menschliche Stimmen geht
  • In welche Aktionen die Wahl eingerahmt wird
  • Über die Facetten der Königsdisziplin Operngesang

Stimme ist Instrument des Jahres 2025 – ein Kuriosum?

Mit einem Kuriosum, allerdings einem sehr nachvollziehbaren, haben die Landesmusikräte überrascht. Alljährlich rücken sie jeweils ein anderes Instrument in den Fokus der Öffentlichkeit. Zuweilen sind es solche, die ihren Zenit bereits übersprungen haben und ein wenig in Vergessenheit geraten sind. Dann wieder zeitgenössisch ohnehin populäre. Das reichte erstmals von der Klarinette im Jahr 2008 über viele andere wie etwa die Posaune, Gitarre oder Geige bis zum Drumset und zuletzt die Mandoline und die Tuba.

Allesamt vereinte, dass es sich um haptische Musikinstrumente handelte, die zunächst einmal gebaut werden mussten. Diesmal hat die Jury sich eine vollkommen andere Gangart entschieden: Instrument des Jahres 2025 ist die Stimme. Die ist ohne Frage das älteste Instrument der Welt. Und obwohl nahezu überall präsent, wird sie häufig unterschätzt.

Die Stimme ist nahezu überall präsent | Foto: Shutterstock von Shulers

Jeder kann das eingebaute Instrument nutzen

Vergessen ist die Stimme beileibe nicht. Eigentlich ganz im Gegenteil. Im Alltag hat man das Gefühl, sie werde immer präsenter. Nicht unbedingt überlegter, allerdings zunehmend lauter. Möglicherweise auch aus dem Grund haben die Landesmusikräte die Entscheidung einstimmig getroffen. Denn immerhin lanciert das Musikinformationszentrum die Aussage: „Die Stimme verbindet Menschen auf der ganzen Welt.“

Jeder könnte das eingebaute Instrument nutzen. Der dahinterstehende Gedanke ist wirklich schön, gewissermaßen sogar ein wenig demütig. So überwinde die Stimme kulturelle, sprachliche als auch geografische Grenzen und schaffe eine Basis für Kommunikation und gegenseitiges Verständnis. Mit einer guten Portion Pathos heißt es sogar: „Es (die Stimme) ist das Instrument, das uns zu Menschen macht.“

Die Stimme verbindet über Grenzen und Kulturen hinweg | Foto: Shutterstock von SeventyFour

Zahlreiche weitere Stimmen lassen uns aufhorchen

Allerdings belassen es nicht bei dem Bezug auf Menschen, was ja auch wieder eine gewisse Ausgrenzung wäre. Vielmehr wird noch ein Bogen hinein ins Tierreich geschlagen, denn auch dort seien farbenfrohe und faszinierende Klänge zu erleben. Beispielhaft angeführt werden etwa melodische Vogelstimmen und kilometerweit vernehmbare Walgesänge. Natürlich gibt es in der Natur zahlreiche weitere Stimmen, die uns immer wieder aufhorchen und darüber staunen lassen, wie Tiere sich einander und ihrer Umwelt mittteilen.

Vermutlich das flexibelste Instrument schlechthin

Es kommt eben immer darauf an, wie die Stimme genutzt wird, gerade weil jede einzigartig ist. Sprechen, singen, flüstern, schreien, pöbeln, zum Mittagessen rufen und was weiß ich nicht alles. Tatsächlich gibt es kein Instrument, das auch nur annähernd so facettenreich wie die Stimme ist, ob menschlich oder tierisch. Zumindest wenn wir von den telefonischen Warteschleifen absehen, die irgendwann mal intelligent sein wollen und bei denen man spätestens nach zehn Minuten wutentbrannt wieder auflegt. Wie dem auch sei.

Von solchen Stimmen kann man nur berührt sein | Foto: Shutterstock von Milica Nistoran

Etliche Highlights sorgen für den würdigen Rahmen

Zahlreiche Highlights sind über das ganze Jahr hinweg geplant. Zu den schon jetzt angekündigten Höhepunkten wird der Chortreff in Berlin vom 03 – 05. Oktober zählen. Ganz sicher wird auch die Berliner Schirmherrin und grandiose Jazz- und Opernsängerin Jocelyn B. Smith anwesend sein. Welche Abordnung die Tierwelt zu welchen Veranstaltungen senden wird, ist noch nicht bekannt.

Machen wir einen Ausflug in die stimmliche Königsdisziplin

Dass die menschliche Stimme zum Instrument des Jahres 2025 gekürt wurde, ist zugleich eine gute Gelegenheit, uns an dieser Stelle mit unterschiedlichen Stimmlagen und Stimmfächern zu beschäftigen. Stimme ist eben nicht gleich Stimme. Erst recht nicht in der Königsdisziplin, der Welt der Oper.

Das Problem: Tenöre sind Mangelware

Obschon der Tenor eigentlich als die tragende Säule der europäischen Mehrstimmigkeit verstanden werden darf, gibt es exakt bei den Tenören ein Problem. Denn in den meisten Chören sind sie tatsächlich Mangelware. Begreifen müssen wir an dieser Stelle, dass es sich – zumindest im Mittelalter – keinesfalls um eine festgelegte Stimmlage, stattdessen um eine Lagenstimme handelt.

Vor diesem Hintergrund definierst du dich als Tenor also nicht über das, was du singen kannst, sondern über das, was du im mehrstimmigen Satz singen sollst. Und genau in diesem Wechselspiel ist er die unangefochtene Hauptstimme, um die sich alles andere herumgruppiert.

Tenöre sind rar | Foto: Shutterstock von Igor Bulgarin

Lange gehaltene Töne im Cantus firmus

Schnappen wir uns die Übersetzung, werden die charakteristischen Eigenschaften dieser Lagenstimme deutlicher. So hat das Wort „Tenor“ seinen Ursprung im Lateinischen und ist eine Ableitung von „tenere“. Übersetzt bedeutet das so viel wie „halten“. Und das ist durchaus im Wortsinn gemeint. Denn der Tenor ist eine Stimme mit vergleichsweise lang gehaltenen Tönen. Grundsätzlich singt sie im mehrstimmigen Satz die Hauptmelodie, für die es auch einen Fachausdruck gibt, nämlich den sogenannten „Cantus firmus“. Insofern bestimmt der Tenor den Modus, in dem gesungen wird.

Erste Konkurrenz im 17. Jahrhundert

Erst ab dem 17. Jahrhundert fand sich auf dem musikalischen Parkett langsam ernstzunehmende Konkurrenz für den Tenor ein. So wurden in den italienischen Opern die Oberstimme und der Bass zu den wichtigsten Stimmen. Und plötzlich verstand man in dieser Zeit den Tenor nur noch als hohe männliche Stimmlage. Assoziiert wurde diese Stimme etwa mit jugendlichen Figuren, zuweilen sollten sie auch die eine oder andere Gottheit verkörpern. Bis dahin hatte sich lediglich bei den geistlichen Passionsmusiken noch nichts geändert.

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Kastraten, Haute-Contre-Stimmen und Countertenor

Die Musik kennt keinen Stillstand und unterliegt einem permanenten Wechsel. So gab es die nächste umwälzende Veränderung im 18. Jahrhundert. Plötzlich übernahmen die Kastraten mit Stimmen in Sopran- oder Altlage die Rolle der Stars in der Oper. Die Entwicklungen waren allerdings keinesfalls über nationale Grenzen einheitlich. Während in Italien die Kastraten dominierten, übernahmen in Frankreich besonders hoch gelegene Männerstimmen die wichtigen Partien. Die Stimmen lagen beinahe auf der Schwelle zum Countertenor und wurden als Haute-Contre-Stimmen bezeichnet.

Konkurrenz zwischen Tenor und weiblichem Sopran

Im 19. Jahrhundert stand die nächste Kehrtwende vor der Tür. Plötzlich waren Kastraten und Haut-Contre nicht mehr gefragt. Stattdessen traten die Tenöre wieder ins Zentrum des musikalischen Plateaus. Allerdings auch in einer neuen Rolle. Hohe Männerstimmen standen nun in unmittelbarer Konkurrenz zum weiblichen Sopran.

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Anforderungen kletterten immer weiter in die Höhe

Etwa zeitgleich stiegen die Anforderungen an die Stimmen der Sänger. Nicht zuletzt deshalb, da die Orchester zunehmend größer wurden. Nicht wenige Komponisten und Dirigenten hatten sogar Schwierigkeiten bei der Besetzung mancher Charaktere, zumal die Kompositionen teils extrem in die Höhe gingen. Eines der Beispiele ist die Premiere der Oper „Guglielmo Tell“ von Gioachino Rossini. Es wurde eng in der Höhe. Ein „Arnold“ mit lyrischem Tenor war schwer zu finden.

Die Anforderungen werden im Wortsinn immer höher | Foto: Shutterstock von Igor Bulgarin

Stimmlicher Glanzpunkt in Chören selten präsent

Interessant in diesem Kontext ist, dass der Tenor zwar als stimmlicher Glanzpunkt innerhalb der kompletten romantischen als auch postromantischen Oper gilt, sich allerdings in Chören relativ selten vorkommt. Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben. Einerseits könnte das mit der anfangs benannten Tatsache zu tun haben, dass die Tenöre Mangelware sind, so man Menschen denn überhaupt als „Ware“ bezeichnen darf.

Auf der Kehrseite der Medaille steht, dass der Chor eine eigenständige Aufgabe in seiner Gesamtheit wahrnimmt, wobei es weniger opportun ist, dass spezielle Stimmen besonders hervorstechen. Darüber hinaus wird durch die Gegenüberstellung von Chor und Tenor ein wirkungsvoller Kontrast erzielt. Tatsächlich ist der Tenor im Chor zwischen dem exponierten Sopran und dem tieftönend sonoren Bass gewissermaßen eingeklemmt.

Zwischen jungen Heldinnen mit schwebendem Sopran

Selbstverständlich ist der Tenor keinesfalls die einzige exponierte Stimmlage innerhalb der Oper. So übernimmt der weibliche Sopran in der Regel die Stimmlage der jungen Heldinnen und innerhalb des Chores die Melodieführung. Die Stimme schwebt gewissermaßen über allem. Und auch dieses Attribut wird bereits über die Bezeichnung bestimmt. Immerhin bedeutet die Bezeichnung „Soprano“ aus dem Italienischen übersetzt so viel wie „darüber“.

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Und auch diese Stimmlage wurde grundlegend im 17. Jahrhundert innerhalb der italienischen Oper bzw. des darin verwendeten Sologesangs eingeführt. Wie in anderen stimmlichen Bereichen gab es auch bei der Sopran-Stimmlage immer wieder Veränderungen. Das reichte vom Herrensopran der Kastraten über den lyrischen Spinto-Sopran bis zu geradezu schwindelerregenden Höhen der Koloratursopran-Arien, bei der dann Komponisten wie Mozart die Sängerinnen endgültig an ihre kaum zu erreichenden Grenzen trieben.

Altstimme ordnete sich über der Hauptstimme ein

Zu den weiteren Stimmlagen, die sich über die Jahrhunderte hinweg immer neuen Anforderungen ausgesetzt sahen, gehört die Altstimme. Wie erkläre ich’s meinem Kinde? Grundsätzlich ist eine Altstimme schlichtweg eine hohe Stimme. Und so bemühen wir auch hier die Übersetzung aus dem Lateinischen, wo „Altus“ einfach für „hoch“ steht. Im späten Mittelalter wurde damit die im mehrstimmigen Satz über der Hauptstimme liegende Stimme bezeichnet.

Über lange Zeit war diese Aufgabe nicht klar definiert. Das sollte bis zum 19. Jahrhundert auf sich warten lassen, als nämlich die weibliche Altstimme gewissermaßen zur Norm wurde. Kurioserweise werden die Altistinnen in den meisten Fällen mit reiferen Frauenrollen bedacht. So scheint es, dass die Stimmlage in musikalischer Hinsicht das Alter der Protagonistinnen und Protagonisten definiert. Durchaus kurios, doch der Mensch lebt von seinen Metaphern.

Stimme als Instrument des Jahres 2025 – emotional, direkt, vielfältig

Dass war nun allenfalls ein winziger Exkurs in die Facetten der Stimmlagen innerhalb der Oper. Lediglich ein kleiner Punkt im Kaleidoskop dessen, wozu die menschliche Stimme imstande ist, ein Auszug der Möglichkeiten, die sie über unterschiedlichste Genres hinweg einnimmt. Die Stimme ist und bleibt eines der Instrumente, die uns allesamt am emotionalsten und direktesten anspricht. Die Wahl zum Instrument des Jahres 2025 ist durchaus ungewöhnlich, aber unbedingt berechtigt. Wir sind gespannt, mit welchen Veranstaltungen sie ihre prägende Rolle in diesem Jahr untermauern wird.

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