
Michael Kopp glaubt, dass man ein Stück nur auf der Trompete spielen kann, wenn man seine Melodie zu singen imstande ist. Über die täglichen Herausforderungen des Unterrichtens beim Trompetenspiel und über einen jungen Lehrer, der einschneidende Schicksalswendungen auf seinem Lebensweg bewältigt hat.
Check it: Trompete Spielen
Der Würfel ist gefallen und zeigt eine Sieben an. „Spiel für mich die Tonleiter sieben Töne abwärts, gestoßen und im Forte“, bittet Michael Kopp seinen Schüler Ekim. Der Neunjährige nimmt sofort seine Trompete zur Hand und spielt das Gewünschte auswendig nach Gehör. „Schöner Klang“, lobt ihn sein Lehrer. „Jetzt bin ich dran“, lacht der Kleine und würfelt seinerseits. Es ist eine zehn. Auch er darf jetzt seinen Lehrer auffordern, für ihn spielen. „Bitte eine Tonleiter nach oben, gebunden und leise.“ Kopp fragt nach: „Du meinst Piano?“ Ekim nickt.
Es ist schon spät an diesem Nachmittag im Unterrichtsraum in der Wehrheimer Limesschule in Hessen. Das Herbstlaub ist gefallen und die Sonne bereits untergegangen. Aber die Energie von Michael Kopp und seinem jungen Schüler ist ungebrochen. An den spielerischen Einstieg schließen sie das schwierige Höhentraining an. Erst danach geht es an die klassische Literatur: Bach, Mozart. Am Schluss der Stunde spielen sie harmonisch im Duett.

Für Michael Kopp ist es bereits die fünfte Unterrichtsstunde an diesem Donnerstag. Zwischendrin hat er den beiden zehnjährigen Freunden Willem und Niall Doppelunterricht erteilt und mit ihnen Weihnachtslieder geübt.
Wie hat Michael Kopp selbst zur Musik gefunden? Wer waren seine Lehrer und wie haben sie ihn geprägt? Begonnen hat sein bewusstes musikalisches Leben mit Trommeln. „Bei der musikalischen Früherziehung unterm Dach in der Alten Musikschule in Villingen-Schwenningen. Sicherlich habe ich deshalb als erstes angefangen Schlagzeug zu lernen. Meine Mutter war Musiklehrerin an der Schule. Deshalb war es ihr großer Wunsch, mich in dieser Hinsicht zu beeinflussen, anzuregen und zu fördern – nie mit Zwang allerdings. Einfach, weil ihr ganzes Leben immer aus Musik bestanden hat.“
Förderung wichtiger als Talent
War sie es auch, die sein enormes Talent erkannt hat? „Den Begriff Talent sehe ich übrigens kritisch“, antwortet er nach kurzer Überlegung. „Weil es aus meiner Sicht hauptsächlich um Förderung geht. Natürlich muss ein Kind eine gewisse Begabung mitbringen. Aber das Wichtigste ist die Förderung, und die war bei mir durch meine sehr musikalische Mutter reichlich vorhanden. Sie hat ein breit gefächertes Pädagogikstudium mit Harfe, Klavier und Chorleitung durchlaufen. Gefördert zu werden, ist für musikalische Kinder essentiell.“
Wie bei seinem Schüler Ekim. „Er hat ein Riesentalent mitgebracht“, konstatiert der 35-jährige Baden-Württemberger. „Und hat sofort einen schönen Ton auf dem Instrument erzeugen können.“ Sein Vater Atilin Seymen, der diesmal beim Unterricht anwesend ist, erinnert sich, dass Ekim bereits mit viereinhalb Jahren vom Trompetenspiel schwärmte. Und deshalb entgegen der allgemeinen Empfehlung bereits vor seinem sechsten Lebensjahr mit dem Spielen begann. Meist wird Unterricht ab dem achten Lebensjahr angeraten. Weil erst dann die bleibenden Schneidezähne gewachsen sind.
Was gefällt Ekim am Unterricht? „Mein Lehrer macht Spaß. Und er kann so schön Trompete spielen.“ Michael Kopp freut sich über das Kompliment. Und meint: „Zusätzlich zu Ekims Talent kümmern sich die Eltern um die Förderung ihres Sohnes, da sie selbst musikalischen Hintergrund haben.“ Ekims Mutter sei Chorleiterin, sein Vater spiele klassische Gitarre.

Aber nicht jeder Schüler komme derart ausgestattet in seinen Unterricht, erzählt er weiter: „Ich muss die Schüler kennenlernen und erst einmal verstehen, was für ein junger Mensch da vor mir sitzt. Tatsache ist: Es werden nicht alle Profimusiker.“ Das gelte auch für die Eltern: „Die wenigsten kommen zu mir und sagen am Anfang: ‚Unser Kind wird mal Musikstudent.'“ Leitlinie seines Unterrichtens ist etwas anderes: „Ich hole meine Schüler an dem Tag, wenn sie zu mir in den Unterricht kommen, immer genau da ab, wo sie gerade sind. Ob sie geübt haben oder nicht ist da nicht von Belang. Und wenn sie gar keine Lust auf Unterricht haben, wird auch mal einfach nur geredet.“ Ein Lehrer sei immer eine wichtige emotionale Bezugsperson, findet er. „Natürlich ist es schwierig, auf jeden meiner ca. 20 Schüler, darüber hinaus noch einige Privatschüler, individuell einzugehen und auch noch meine Pflichten als stellvertretender Musikschulleiter zu bewerkstelligen.“ Unterrichten generell erlebt er als spannend, als kreativ und auch als lustig. „Dabei durchlebe ich manchmal meine Musikkindheit aufs Neue. Ich erkenne mich dann in den fleißigen Schülern genauso wieder wie in denen, die überhaupt keine Lust haben. Beide Seiten gab es damals auch in mir.“
Michael Kopp hat mit sechs Jahren angefangen Schlagzeugunterricht zu nehmen. Trompete kam mit acht Jahren dazu. Bis kurz vor dem Studium hat er beides auf hohem Niveau gespielt. „In beiden Instrumenten habe ich beim Bundes-Wettbewerb „Jugend musiziert“ erste Preise gemacht (2002 – 2009).“ 2010 begann er sein Studium an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt am Main bei Prof. Klaus Schuhwerk. Er machte sowohl den Bachelorabschluss und studierte im Master weiter. Lange war er Mitglied im Landesjugendorchester Baden-Württemberg und im Bundesjugendorchester.
Sein erster Trompetenlehrer an der Musikschule Trossingen hieß Markus Klein. „Ich bin mit Klein nach Stuttgart zur Musikschule in Fellbach gewechselt. Er hat mein ganzes Trompetenleben bis zum Studium geprägt.“ Aber Stuttgart ist von Villingen-Schwenningen eine schöne Strecke Wegs, oder? „In der Tat. Ich bin meinem Vater ungeheuer dankbar, der mich jahrelang die 100 Kilometer nach Stuttgart hin und zurück gefahren hat nach seiner Arbeit. Nur so konnte ich bei Markus Klein weiterlernen.“
Disziplin, Weitsichtigkeit und Menschlichkeit
Von beiden Lehrern hat er wichtige Prinzipien fürs Unterrichten übernommen „Von Markus Klein eine gewisse Strenge und Disziplin und von Professor Schuhwerk eine gewisse Weitsichtigkeit. Schuhwerk hat mir beigebracht, dass man Schüler und Studenten psychologisch nicht in eine Schablone pressen sollte. Ich versuche es genauso zu machen, wie ich es bei ihm erfahren habe: Er hatte das Talent, mich so zu begeistern, dass ich aus jeder Stunde voller Emotionen und Motivation herauskam. Und hat mir in jedem Unterricht gezeigt, zu welch ungeheurer Leistung ich fähig bin. Egal, wo ich gerade stehe.“ Ein großes drittes Vorbild hat er auch: seine Mutter. „Ihre einmalige Mischung aus Disziplin und Menschlichkeit hat mich tief geprägt.“

Damals hatte Michael Kopp seine Zukunft als Solotrompeter in einem bedeutenden Orchester in Deutschland bereits fest im Blick und gerade seinen Bachelorabschluss gemacht, als ein Fahrradunfall vor zehn Jahren sein ganzes Musikerleben auf den Kopf stellte. Bereits während des Studiums spielte er bei der Jungen Deutschen Philharmonie, erhielt ein Praktikum im Staatsorchester Mainz und war in zahlreichen Berufsorchestern wie dem Opern- und Museumsorchester Frankfurt und den Bremer Philharmonikern tätig. 2015 gab es ein Probespiel für Solotrompete beim Frankfurter Opern- und Museumsorchester. „Zusammen mit zwei anderen bin ich in die letzte Runde kommen. Dann konnte sich das Orchester allerdings nicht für einen von uns entscheiden und so haben sie uns alle drei in mehreren Produktionen ausprobiert.“ Was geschah genau in diesem September 2015?
Fahrrad-Unfall mit 25 Jahren
„Ich wäre für den nächsten Tag zur Arbeitsphase bei der Jungen Deutschen Philharmonie mit Bruckners Neunter eingeteilt gewesen, als ich am Abend zuvor mit dem Fahrrad in ein Schlagloch fuhr. Ich fiel vornüber aufs Gesicht und schlug mir einen Zahn aus. Schlimmer aber war, dass die Lippe unten aufgeschnitten war, genau dort, wo der Lippenansatz für die Trompete entsteht. Nachdem alles genäht worden war, konnte ich erstmal ein halbes Jahr nicht spielen.“ Das war nicht einfach – oder? „Ich hatte das Gefühl: Meine komplette Karriere steht auf der Kippe. Ich habe den Master immer wieder hinausgeschoben, weil ich erstmal mit großem Einsatz versuchte, mein altes Niveau wiederzuerlangen. Mit Professor Schuhwerk habe ich intensiv am Comeback geübt, und er hat mir wirklich sehr geholfen.“
Rückblickend sei das eine sehr intensive Zeit gewesen, findet er, ein ständiges Auf und Ab. „Ich bin unendlich dankbar, dass meine Eltern mich in dieser schweren Phase meines Lebens emotional und finanziell weiter unterstützt haben.“ Obwohl er 2016 bereits wieder in der Jungen Deutschen Philharmonie spielen konnte, brauchte er doch weitere zehn Jahre, um sich endgültig darüber klar zu werden, dass die Folgen des Unfalls seine Karriere als Solo-Trompeter dauerhaft beeinträchtigten. Denn „obwohl ich stark übte, erreichte ich nicht zu 100 Prozent mein altes Niveau. Das hielt mich aber nicht davon ab, es auf ganzer Linie immer weiter zu versuchen, was viele positive Effekte hatte.“
Nicht nur seine sonnige Ausstrahlung hat er sich dabei offensichtlich erhalten. „Lampenfieber gibt es seitdem für mich nicht mehr. Denn obwohl ich nicht mein Top-Niveau erreichen konnte, spielte ich in zweiter und dritter Stimme in Mahlers 3. und 5. Sinfonie und zwang mich zum Beispiel bei Wagners Oper ‚Tristan und Isolde‘ am Wiesbadener Staatstheater die Bühnentrompeten zu spielen.“ Reine Konfrontationstherapie sei das gewesen, die ihm psychisch und persönlich viel gebracht habe. „Wenn ich heute bei Musikschulveranstaltungen eine Rede halten muss, bin ich kaum noch aufgeregt.“
Ihm wurde in dieser Zeit immer klarer, dass er sein ganzes Leben nur auf einer einzigen Säule aufgebaut hatte, die mit einem Mal umstürzte. „Jetzt musste und wollte ich mich umorientieren. Am Ende dieses Weges stand als Ziel: Unterrichten.“ Das sei die goldrichtige Entscheidung gewesen, weiß er heute. „Denn der Umgang mit Kindern und Jugendlichen macht mir ungeheuer viel Freude, weit mehr, als ich mir ursprünglich ausgemalt habe. 2021 habe ich angefangen an der Musikschule in Bad Soden und in Wehrheim zu unterrichten. Seit März 2025 bin ich als stellvertretender Leiter der Musikschule in Bad Soden angestellt.“

Sein Ziel ist der schwebende Klang
„Mein Ziel ist der dunkel-golden schimmernde, runde, bauchige Ton, der im Raum schwebt.“ Die schwerste Phase seien die ersten sechs Wochen beim Trompetenspiel, sowohl für die Kinder als auch für die Eltern. Sie müssten strikt üben, weil die Mund- und Lippenmuskeln erst entwickelt und ausgebildet werden. „Danach arbeite ich am schwebenden Klang. Kleineren Kindern spiele ich diesen Ton immer wieder vor, denn sie lernen durchs Hören, durchs Singen und durch Nachahmung.“ Dann erst arbeite er an der Entwicklung des individuellen Klangs. „Jeder Trompeter klingt anders, genau wie jede Stimme anders singt.“ Die Trompete sei nur der Stimmverstärker. „Ich bin der Meinung: Wenn Du ein Stück nicht singen kannst, kannst Du es auch nicht richtig spielen. Trompete spielen ist inneres Singen.“ Sein Motto lautet nach dem berühmten US-amerikanischen Lehrer Arnold Jacobs: „Song and Wind“, übersetzt: „Singen und Luft geben“.
Ist die Trompete immer noch ein typisches Jungs-Instrument? „Nein. Ich bin froh, dass ich auch immer mehr Schülerinnen habe, circa 30 Prozent. Aber da kann noch mehr gehen: Es gibt keine körperlichen Unterschiede und sie haben praktisch keine Nachteile. Sie können die komplette Literatur genauso spielen wie die Jungs.“ Es freut ihn, sagt er, dass sich gerade viel ändere: „Frauen werden bei den großen Orchestern überall eingestellt, ob an der Trompete, Horn oder Posaune und Tuba. Nicht, weil sie Frauen sind, sondern weil sie gut sind.“
Mehr zur Trompete und was sie zu deinem Lieblingsinstrument macht, findest du in diesem Artikel!

